Arbeitswelt

Rechtstipp: Video-Konferenzen des Betriebsrates – Covid-19-Pandemie-Sonderregekung im BetrVG

Foto: Thomas Range

Die Corona-Krise verändert in diesen Wochen auch die derzeit nicht gerade leichte Arbeit von Betriebsräten. Viele Betriebsratsmitglieder arbeiten im Home-Office und müssen wichtige Beschlüsse fassen – beispielsweise über Betriebsvereinbarungen zur Kurzarbeit oder Maßnahmen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz.

Zum Teil per Telefon- und Videoschalten, das stellt jedoch die Interessenvertreter*innen vor ein juristisches Problem: Denn Paragraf 33 im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) bestimmt, dass ein Betriebsrat Beschlüsse mit der Mehrheit der Stimmen „der anwesenden Mitglieder“ fasst. Nach allgemeiner Ansicht sind damit Mitglieder gemeint, die sich im Raum befinden – nicht aber solche, die zugeschaltet sind.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte bereits Mitte März eine sogenannte Ministererklärung abgegeben, in der Unternehmen gebeten wurden, Voten per Telefon- und Videoschalten zu ermöglichen. Juristen hielten dies jedoch für unzureichend und rechtlich anfechtbar – etwa durch Klagen der Arbeitgeber. Die Ministererklärung, so hieß es jetzt aus dem Bundesarbeitsministerium, habe „in vielen Betrieben und Unternehmen jedoch Orientierung gegeben“, wie sie angesichts der Covid-19-Pandemie „handlungsfähig“ bleiben könnten.

Um Rechtssicherheit zu schaffen und dem Risiko unwirksamer Betriebsratsbeschlüsse zu entgehen, will die Bundesregierung nun im Eiltempo das BetrVG ändern und Video- und Telefonkonferenzen befristet bis zum 31.Dezember 2020 zulassen. Paragraf 129 „Sonderregelungen aus Anlass der Covid-19-Pandemie“, der vorübergehend ins BetrVG eingefügt werden soll, lautet:

(1) „Die Teilnahme an Sitzungen des Betriebsrats, Gesamtbetriebsrats, Konzernbetriebsrats, der Jugend- und Auszubildendenvertretung, der Gesamt-Jugend- und Auszubildendenvertretung und der Konzern-Jugend- und Auszubildendenvertretung sowie die Beschlussfassung können mittels Video- und Telefonkonferenz erfolgen, wenn sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. Eine Aufzeichnung ist unzulässig. § 34 Absatz 1 Satz 3 gilt mit der Maßgabe, dass die Teilnehmer ihre Anwesenheit gegenüber dem Vorsitzenden in Textform bestätigen“

(2)  Für die Einigungsstelle und den Wirtschaftsausschuss gilt Absatz 1 Satz 1 und 2 entsprechend.

(3)  Versammlungen nach den §§ 42, 53 und 71 können mittels audiovisueller Einrichtungen durchgeführt werden, wenn sichergestellt ist, dass nur teilnahmeberechtigte Personen Kenntnis von dem Inhalt der Versammlung nehmen können. Eine Aufzeichnung ist unzulässig.

(4)  Die Sonderregelungen nach den Absätzen 1 bis 3 treten mit Ablauf des 31. Dezember 2020 außer Kraft.

Der sozialdemokratische Arbeitsminister hat die befristete „Sonderregelung“ mittlerweile in das parlamentarische Verfahren eingebracht. Bereits in dieser Woche findet im Bundestag eine Anhörung der Verbände zu der Vorlage aus dem Bundesarbeitsministerium statt, möglicherweise sogar die 1. Lesung der Gesetzesänderung. Die abschließende Regelung dürfte jedoch erst Anfang Mai rückwirkend zum 1. März 2020 in Kraft treten, wenn sich der Bundesrat damit befasst hat.

Die DGB-Gewerkschaften stimmen der bis Ende des Jahres befristeten gesetzlichen Regelung zu, um die Arbeit der Betriebsräte während der Corona-Krise zu erleichtern. Doch sie sind sich einig, dass Sitzungen, in denen alle Teilnehmer*innen im Raum sind, die Regel bleiben und nicht zur Ausnahme werden sollen. Schließlich gibt es auch Betriebe, in denen müssen sich Arbeitnehmer*innen ihre Mitbestimmung mühsam erkämpfen, dort gibt es womöglich auch kein Betriebsratsbüro. Und was ist, wenn der Chef heimlich mithört oder versucht, von der Seite Druck auf den Betriebsrat auszuüben, der an einer Schalte teilnimmt? Und was, wenn der Chef in einer Firma mit mehreren Standorten findet, das Betriebsratsmitglied aus der Filiale könne doch künftig immer virtuell an den Sitzungen teilnehmen, dessen Fahrt zu den Sitzungen bezahle die Firma jedenfalls nicht mehr?

Angesichts solcher Probleme steht für den DGB-Vorsitzenden Rainer Hofmann fest: „Auf keinen Fall darf man nach der Bewältigung der Corona-Krise sagen, das habe doch wunderbar funktioniert, also warum soll es nicht dabei bleiben. Dann wäre die Regelung ein Einfallstor, um die Mitbestimmung zu untergraben“.

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