Arbeitswelt

Rechtstipp: Wirtschaftsausschuss in der Corona-Krise. Jetzt besonders wichtig!

Foto: Thomas Range
Foto: Thomas Range

Die Corona-Krise hat die schon bestehenden strukturellen und konjunkturellen Probleme in den Metall-, Stahl- und Textilbetrieben verschärft. Aufträge fehlen, Umsätze sind eingebrochen und die Liquidität sinkt. Beschäftigte sind in Kurzarbeit oder arbeiten im Home-Office. Damit Betriebsräte nicht nur, aber gerade in der Krise handlungsfähig bleiben, brauchen sie jetzt dringender denn je aktuelle und zeitnahe Informationen, um Einfluss auf die mittelfristige Unternehmensstrategie zum Standort – und Arbeitsplatzerhalt nehmen zu können.

Für die Tätigkeit des Betriebsrates ist der Wirtschaftsausschuss ein außerordentlich wichtiges Instrument. Dieser hat nach § 106 Abs. 1 Satz 2 Betriebsverfassungsgesetz die Aufgabe, wirtschaftliche Angelegenheiten mit dem Unternehmer zu beraten und den Betriebsrat bzw. Gesamtbetriebsrat zu unterrichten.

Aufgaben und Zweck des Wirtschaftsausschusses

Der Wirtschaftsausschuss ist ein besonders wichtiger Ausschuss des Betriebsrats bzw. Gesamtbetriebsrats. Seine Aufgabe besteht darin,

  • Informationen über »wirtschaftliche Angelegenheiten« und deren mögliche Auswirkungen auf die Beschäftigten vom Unternehmer abzufordern (§ 106 Abs. 2 BetrVG);
  • mit dem Unternehmer auf der Grundlage und im Rahmen etwaiger Beschlüsse des Betriebsrats bzw. Gesamtbetriebsrats zu »beraten« (§ 106 Abs. 1 Satz 2 BetrVG);
  • den Betriebsrat bzw. Gesamtbetriebsrat zu »unterrichten« (§ 106 Abs. 1 Satz 2, § 108 Abs. 4 BetrVG).

Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat bzw. Gesamtbetriebsrat rechtzeitig und umfassend über die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen zu unterrichten, um sie auf diese Weise in die Lage zu versetzen, Strategien zur Sicherung der Interessen der Beschäftigten (Erhalt der Arbeitsplätze und ggf. Schaffung neuer Stellen, keine Arbeitszeitverlängerung, keine Lohnkürzung, usw.) zu entwickeln.

Es kommt also nicht nur darauf an, was war (z. B. wie der Jahresabschluss ausgefallen ist), sondern vor allem darauf, was die Geschäftsführung für die Zeit der Krise und danach plant wie und wann sich das auf die Belegschaft auswirkt.

Inhalt der Informationspflicht und Thema der Beratungen

Informations- und Beratungsgegenstand der Wirtschaftsausschusssitzung mit dem Unternehmer sind die in § 106 Abs. 3 BetrVG beispielhaft aufgeführten Sachverhalte und die sich jeweils daraus ergebenden Auswirkungen auf die Personalplanung. Als wirtschaftliche Angelegenheiten nach § 106 Abs. 3 BetrVG gelten insbesondere

  • die wirtschaftliche und finanzielle Lage des Unternehmens = Liquidität des Unternehmens: Wie ist die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens aktuell, wie sieht es bis zum Jahresende aus? Besonders wichtig in der Krise: Der Wirtschaftsausschuss braucht die Liquiditätsvorschau für die nächsten Wochen und Monate. Er braucht alle Unterlagen, die für die Beurteilung der Lage notwendig sind. Denn nur so können der Wirtschaftsausschuss und der Betriebsrat herausfinden, wie die Beschäftigen von der aktuellen Krise betroffen sind.
  • die Produktions- und Absatzlage
  • das Produktions- und Investitionsprogramm
  • Rationalisierungsvorhaben
  • Fabrikations- und Arbeitsmethoden, insbesondere die Einführung neuer Arbeitsmethoden
  • Fragen des betrieblichen Arbeits- und Umweltschutzes
  • die Einschränkung oder Stilllegung von Betrieben oder Betriebsteilen
  • die Verlegung von Betrieben oder Betriebsteilen
  • der Zusammenschluss oder die Spaltung von Unternehmen oder Betrieben
  • die Änderung der Betriebsorganisation oder des Betriebszwecks
  • die Übernahme des Unternehmens, wenn hiermit der Erwerb der Kontrolle verbunden ist

Diese Aufzählung ist nicht abschließend. Das ergibt sich aus dem Begriff »insbesondere« und der Formulierung in § 106 Abs. 3 Nr. 10 BetrVG: »… sonstige Vorgänge und Vorhaben, welche die Interessen der Arbeitnehmer des Unternehmens wesentlich berühren können.«

Rechtzeitige und umfassende Information

Die Unterrichtung des Wirtschaftsausschusses durch die Geschäftsführung muss »rechtzeitig« erfolgen, das heißt bereits in der Planungsphase, nicht erst in der Umsetzungsphase. Die Information hat »unter Vorlage von Unterlagen« zu erfolgen. Zu den vorzulegenden Unterlagen gehören u. a.:

  • der Jahresabschluss
  • der Lagebericht
  • der Wirtschaftsprüfungsbericht
  • Berichte von Unternehmensberatungen
  • Bewertung des Unternehmens durch Rating-Agenturen
  • Betriebsabrechnungsbögen bzw. Erfolgsberechnungen
  • Planungsrechnungen (zukunftsbezogen);
  • im Falle der Übernahme des Unternehmens, wenn hiermit der Erwerb der Kontrolle verbunden ist, gehören zu den erforderlichen Unterlagen insbesondere solche, die Angaben über den potentiellen Erwerber und dessen Absichten im Hinblick auf die künftige Geschäftstätigkeit des Unternehmens sowie die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Arbeitnehmer enthalten
  • Gleiches gilt, wenn im Vorfeld der Übernahme des Unternehmens ein Bieterverfahren durchgeführt wird

Sitzungen und Beschlussfassung (§ 129 BetrVG beachten)

Der Wirtschaftsausschuss »soll« einmal im Monat zusammentreten (§ 108 Abs. 1 BetrVG). Für die Sitzungen des Wirtschaftsausschusses gilt – befristet bis zum 31.12.2020 – der neue § 129 BetrVG: Die Teilnahme an Sitzungen sowie die Beschlussfassung kann mittels Video- und Telefonkonferenz erfolgen, wenn sichergestellt ist, dass unberechtigte anwesende Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. Gemäß § 129 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ist eine Aufzeichnung der Sitzung (Aufnahme auf Tonträger, bildliche Aufzeichnungen) ist unzulässig. Zur Unterstützung sollten die zuständigen Gewerkschaftssekretäre der IG Metall Geschäftsstelle Ennepe-Ruhr-Wupper hinzu gezogen werden. (Unter Verwendung eines Textes des Bund-Verlag.de)

Tags

Weitere Artikel

Back to top button
Close