Reiche stärker zur Kasse bitten

DGB-Steuerkonzept: Steuergerechtigkeit herstellen, Staatsfinanzen stärken
Unter dem Motto „Steuergerechtigkeit herstellen, Staatsfinanzen stärken“ schlagen der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und seine Mitgliedsgewerkschaften die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer vor und plädieren für höhere Erbschafts-, Einkommens- und Körperschaftsteuern.
„Reiche und Spitzeneinkommen müssen wieder mehr zum Gemeinwesen beitragen“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell. In Deutschland besitzen zehn Prozent der Bevölkerung zwei Drittel des Nettovermögens. Allein das reichste Hundertstel verfügt über fast ein Drittel. Die Corona-Krise hat die Tatsache, dass Einkommen und Vermögen sehr ungleich verteilt sind, noch verstärkt. Während vor allem Geringverdiener*innen unter krisenbedingten Einkommenseinbußen leiden, steigt die Anzahl und der Reichtum der Milliardär*innen auch in Deutschland weiter an. Angesichts der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich ist mehr Steuergerechtigkeit das „Gebot der Stunde“. Schließlich gehe es darum, die Lasten der Corona-Krise gerecht zu verteilen.
Mit ihrem Steuerkonzept legen die DGB-Gewerkschaften detaillierte, durchgerechnete und belastbare Vorschläge für eine gerechtere Steuerpolitik vor. Das Anliegen ist es aufzuzeigen, dass sehr hohe Einkommen und die größten Vermögen einen dauerhaft höheren Beitrag leisten können. Insgesamt sollen „die Top-Drei-Prozent“ der Spitzenverdiener etwa 19 Milliarden Euro mehr bezahlen. Dagegen sollen kleine und mittlere Einkommen steuerlich entlastet werden.
Deshalb fordert der DGB für Spitzenverdiener und Unternehmen Steuererhöhungen. Denn: Will man die überwiegende Mehrheit der Gesellschaft „entlasten“ und gleichzeitig mehr Geld für die Allgemeinheit haben, so muss man unweigerlich die reichsten fünf Prozent der Bevölkerung stärker zur Kasse bitten. Anliegen des gewerkschaftlichen steuerpolitischen Konzeptes ist es daher aufzuzeigen, dass sehr hohe Einkommen und die größten Vermögen einen dauerhaft höheren Beitrag leisten können.
Der Gewerkschaftsbund plädiert für eine Anhebung des Spitzensteuersatzes von 42 auf 49 Prozent; der neue Satz soll aber erst ab einem zu versteuernden Einkommen von 76 800 Euro greifen. Heute sind es rund 57.000 Euro. Wie bisher wird der Reichensteuersatz drei Prozent über dem Spitzensteuersatz liegen, künftig aber schon bei einem zu versteuernden Einkommen von 130 000 Euro (Single) greifen.
Die mittleren und unteren Einkommen sollen dagegen weniger Steuern zahlen, sodass nach der DGB-Rechnung etwa 26 Milliarden Euro allein durch Veränderungen der Einkommensteuer umverteilt werden. Wer weniger als 82 000 Euro pro Jahr (Single) verdient, der wird entlastet. „Für ein niedriges, bislang aber steuerpflichtiges Einkommen von beispielsweise 14 000 Euro fällt überhaupt keine Lohnsteuer mehr an“, heißt es im DGB-Konzept. Ein Single müsste erst bei einem Bruttoeinkommen von rund 17 000 Euro Lohnsteuer zahlen, ein Ehepaar ohne Kinder erst oberhalb von 31 000 Euro. Den Kinderfreibetrag in der Steuer will der DGB abschaffen und für alle ein gleich hohes Kindergeld verwenden. Die Entfernungspauschale für Pendler soll umgewandelt werden in ein Mobilitätsgeld, das direkt von der Steuerschuld abgezogen wird.
Allein die Vermögensteuer – ein Prozent pro Jahr bei einem Vermögen über eine Million Euro, 1,5 Prozent bei 20 Millionen – würde nach DGB-Rechnung 28 Milliarden Euro in die Kassen spülen; eine Finanztransaktionssteuer von 0,1 Prozent auf den Marktwert der gehandelten Wertpapiere wird mit 17 Milliarden Euro veranschlagt, Änderungen bei der Erbschaftsteuer sollen dem Fiskus sieben Milliarden und eine Erhöhung der Körperschaftsteuer von 15 auf 25 Prozent sogar acht Milliarden Euro bringen. Der Satz war 2008 von 25 auf 15 Prozent gesenkt worden. „Die stärkere Belastung der Spitzeneinkommen bedeutet, die Steuerprivilegien der letzten 20 Jahre zurückzudrängen“, so der DGB.
Die vorgeschlagenen Reformalternativen zeigen auf, dass 95 Prozent der Steuerzahler*innen entlastet werden und zugleich die öffentliche Hand mehr Handlungsspielraum gewinnen kann. Unterm Strich würden die gewerkschaftlichen Vorschläge dem Staat 60 Milliarden Euro an zusätzlichen Einnahmen im Jahr bringen. Und damit die Einnahmebasis stärken, was dringend notwendig ist: Die Pandemie bringt erhebliche Belastungen für die öffentlichen Haushalte mit sich, während gleichzeitig der Bedarf an zusätzlichen öffentlichen Ausgaben immer deutlicher sichtbar wird. So sind massive Investitionen in Schulen, in eine funktionierende Infrastruktur, in das Gesundheitssystem und für den wirtschaftlich-ökologischen Umbau überfällig. Der staatliche Handlungsspielraum darf deshalb weder durch eine Rückkehr zur Schuldenbremse noch durch eine übereilte Tilgung der Corona-Schulden eingeschränkt werden.
Mit der steuerlichen Entlastung der unteren und mittleren Einkommen geht gleichzeitig ein spürbarer Beitrag zur Belebung der Binnenkonjunktur durch eine gestärkte Massenkaufkraft und durch eine Stärkung der öffentlichen Nachfrage einher, was wiederum Unternehmensinvestitionen anregt und letztlich die volkswirtschaftliche Schuldentragfähigkeit erhöht. Diese Aufgaben muss die nächste Bundesregierung lösen, wenn sie den Zusammenhalt der Gesellschaft und die Zukunftsfähigkeit des Landes nicht gefährden will.
Das DGB-Steuerkonzept zum Download:
2021-03-30_DGB Posititon Steuerkonzept-final fuer Internet.pdf (PDF, 1 MB)