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Rekordsumme fürs Militär

Die weltweiten Militärausgaben haben 2018 eine neue Rekordmarke erreicht. Sie sind um 2,6 Prozent auf die gigantische Summe von 1.800.000.000.000 US-Dollar (1,64 Billionen Euro) gestiegen, was 2,1 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung entspricht. Für jeden der knapp 7,6 Milliarden Erdbewohner*innen (1,1 Prozent mehr als 2017) wurden aus den Staatskassen 239 Dollar ausgegeben. Die Rüstungsausgaben, beschönigend Verteidigungshaushalt genannt, sind laut des Sipri-Berichts „Trends in World Military Expenditure 2018“ (1) in den letzten 20 Jahren um 76 Prozent gestiegen.

1998 – war das Jahr mit dem niedrigsten Stand der Ausgaben seit dem Ende des Kalten Krieges. Von 1999 bis 2011 sind die weltweiten Militärausgaben kontinuierlich gestiegen. Zwischen 2012 und 2016 blieben sie einigermaßen konstant, ehe die Zahlen 2017 wieder leicht zunahmen, so das schwedische Friedensforschungsinstitut Sipri (Stockholm International Peace Research Institute). 

Dem Bericht zufolge gaben am meisten die USA, China, Saudi-Arabien, Indien und Frankreich aus. Während Russland nach einem weiteren Rückgang erstmals seit zwölf Jahren aus den Top Fünf herausrutschte, überholte Deutschland mit einem Anstieg um 1,8 Prozent auf 49,5 Milliarden US-Dollar (44,4 Milliarden Euro) Japan und liegt damit nun an weltweit achter Stelle.

Unangefochtener Spitzenreiter bleiben die USA. Die Losung „America first!“ gilt nicht nur für die Handelspolitik, sondern auch für die Rüstungspolitik. Mit einem Plus bei den Militär-ausgaben von 4,6 Prozent gegenüber 2017 haben die USA unter Präsident Donald Trump ihre globale Vormachtstellung zementiert. Von allen Ländern geben die USA am meisten Geld für Rüstung aus: Unter US-Präsident Donald Trump haben die Vereinigten Staaten 2018 knapp 649 Milliarden Dollar (583 Milliarden Euro) für den militärisch-industriellen Komplex ausgegeben.

 

Die extreme Sonderstellung der USA dadurch unterstrichen, dass sie einen Anteil von 36 Prozent an den weltweiten Militärausgaben hat, der in etwa den Investitionen der acht folgenden Länder entspricht: China (14 Prozent), Saudi-Arabien (3,7 Prozent) , Indien (3,7%), Frankreich (3,5 Prozent), Russland (3,4 Prozent), Großbritannien (2,7 Prozent), Deutschland (2,7 Prozent) und Japan (2,6). „Die USA setzen ein umfassendes Modernisierungsprogramm des gesamten Militärs um und fangen jetzt damit an. Wir reden hier von einer Summe von 1,8 Billionen Dollar über die kommenden 20 Jahre, die sowohl für konventionelle als auch für nukleare Waffen ausgegeben werden soll“, sagt SIPRI-Projektleiter Nan Tian.

Verlässlichster Auftraggeber für die amerikanische Rüstungsindustrie ist die US-Armee, die ständig neue Waffen benötigt und sich extrem teure Systeme wie Flugzeugträger leistet. Auch der Rüstungswettlauf mit Ländern wie Russland und China befeuert das Geschäft: So entwickelt Lockheed Martin derzeit eine teure „Hyperschall-Rakete“, die die gängigen Radarsysteme umgehen soll. Das Wettrüsten umfasst inzwischen auch den Weltraum, den Donald Trump mit einer künftigen „Space Force“ dominieren will. (2) Im kommenden Jahr wollen die USA die Rekordsumme von 716 Milliarden Dollar in die Rüstung stecken.

Auf dem amerikanischen Kontinent rüstet neben den USA vor allem Brasilien unter dem ultrarechten Präsidenten Jair Bolsonaro massiv auf. Insgesamt 27,8 Milliarden US-Dollar stellte Brasília 2018 für Rüstung bereit – das sind 1,5 Prozent des BIP und etwa so viel wie Italien. Damit ist Brasilien nach den USA und vor Kanada (21,6 Milliarden US-Dollar) das Land mit den höchsten Ausgaben auf dem amerikanischen Kontinent und belegt weltweit Platz zwölf.

Weltweit auf Platz zwei rangiert unverändert China mit geschätzten 250 Milliarden Dollar Militärausgaben, ein Plus von fünf Prozent. China habe seit 2013 jährlich 1,9 Prozent seines Bruttoinlandprodukts in das Militär gesteckt. Da die Regierung der Volksrepublik bei ihren Haushaltsplanungen den Militäretat jeweils an das Wirtschaftswachstum (BIP) koppelt, könne bei einem Anhalten des derzeitigen wirtschaftlichen Abwärtstrends ein langsameres Aufrüstungstempo in China die Folge sein, heißt es von Sipri.

Generell wird in Asien immer mehr Geld für Rüstung ausgegeben. Auf 507 Milliarden Dollar belief sich deren Summe für 2018, entsprechend 28 Prozent der globalen Ausgaben für das Militär. Vor 30 Jahren betrug der Anteil dieser Region erst 9 Prozent. Laut Sipri-Bericht ist dieser Trend ungebrochen, wobei die Ausgaben von China, Indien, Japan und Südkorea, die alle unter den ersten zehn Ländern sind, den Trend noch verstärkt. Indien steigerte im fünften Jahr in Folge die Militäraufgaben – und liegt an vierter Stelle der SIPRI-Liste. Mit 66,5 Milliarden US-Dollar gibt Indien fast sechs Mal so viel Geld für Rüstung aus wie der Nachbar Pakistan. „Die Spannungen zwischen den asiatischen Ländern und zwischen China und den USA haben diese Ausgaben nach oben getrieben“, konstatiert der Sipri-Forscher Siemon Wezeman.

Sieben der 15 rüstungsintensivsten Länder sind die Nato-Mitglieder Kanada, Frankreich, Deutschland, Italien, Türkei, Großbritannien und die USA. Gemeinsam gaben diese Länder im vergangenen Jahr 880 Milliarden aus, 48 Prozent der globalen Rüstungsausgaben. Alle 29 Nato-Länder zusammen gaben 963 Milliarden oder 53 Prozent der weltweiten Ausgaben für den militärisch-industriellen Komplex aus. Damit verfügt das transatlantische Bündnis über ein Militärbudget, das so groß ist wie der Rest der Welt. Spätestens jetzt wird deutlich wir unsinnig die Debatte über die 2-Prozent-Empfehlung für die nationalen Militärhaushalte in den Nato-Mitgliedsstaaten ist.

Auch in Europa haben die Militärausgaben 2018 um 1,4 Prozent zugenommen. 63,8 Milliarden Dollar hat Frankreich im vergangenen Jahr für sein Militär ausgegeben und steht damit vor Russland (61,4 Mrd. Dollar) auf Platz 5 der Liste der Länder mit den höchsten Rüstungsausgaben. Mit 50 Milliarden Dollar Rüstungsausgaben steht Großbritannien nach Russland auf Platz 7. Deutschland überholte mit einem Anstieg um 1,8 Prozent auf 49,5 Milliarden Dollar (im Vorjahr 44,4 Milliarden Euro) Japan und liegt damit nun an weltweit achter Stelle.

Die deutschen Investitionen ins Militär entsprechen laut Sipri etwa 1,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Die bundesdeutsche Oberbefehlshaberin Ursula von der Leyen gelobte gegenüber der US-Administration in Washington artig „Besserung“: Bis 2024, so ihre Ankündigung, sollen das deutsche Rüstungsbudget von jetzt 1,2 auf 1,5 Prozent der Wirtschaftsleistung steigen. Deutschland werde die Forderungen Trumps und der NATO für mehr Verteidigungsausgaben befolgen.

Ins Auge fällt, dass Russland auf der Weltrangliste mit den Militärausgaben von Platz vier auf sechs abrutschte, obwohl mit 61,4 Milliarden Dollar 3,9 Prozent des eigenen BIP für die Rüstung draufging. Diese Ausgaben entsprechen weniger als einem Zehntel der US-amerikanischen. Russland gehört damit zum ersten Mal seit 2006 nicht mehr zu den fünf Staaten mit den größten Militärbudgets, schreiben die schwedischen Analysten. Ein Grund dafür seien die anhaltenden russischen Wirtschaftsprobleme – vor allem die geringeren Einnahmen aus dem Öl- und Gasexport.

Damit wird deutlich, wie hohl das aufgebaute „Bedrohungsszenario“ ist, dennoch wird „Russland in Europa weiter stark als Bedrohung wahrgenommen“, stellte Wezeman fest. D.h. die vermeintliche Bedrohung muss in den Staaten in Mittel- und Osteuropa als Begründung für eine kräftige Aufrüstung herhalten: So beliefen sich Polens Militärausgaben auf 11,6 Milliarden US-Dollar, was einem Plus von 8,9 Prozent entsprach. Die Ausgaben der Ukraine wuchsen um 21 Prozent auf 4,8 Milliarden Dollar. Bulgarien, Lettland, Litauen und Rumänien investierten zwischen 18 und 24 Prozent mehr.

Einen extrem hohen Anteil an der Wirtschaftsleistung verschlingen die Militärausgaben in den Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas, der „Kriegsallianz“ die an kriegerischen Auseinandersetzungen wie im Jemen beteiligt sind. Trotz fallender Ölpreise und einer Kürzung von 6,5 Prozent waren die Rüstungsausgaben Saudi-Arabiens im vergangenen Jahr so hoch, dass das Land den dritten Platz auf der aktuellen SIPRI-Liste belegt. Der Ölstaat ist mit einem Rüstungsetat von geschätzt 67,6 Milliarden US-Dollar der größte Waffenimporteur weltweit und ein hofierter Gast bei Rüstungsfirmen in den USA, Deutschland und Frankreich. Bezogen auf das BIP liegt Saudi-Arabien mit 8,8 Prozent Anteil der Rüstungsausgaben weltweit an der Spitze, Algerien ist mit 5,1 Prozent ebenfalls weit vorne, es folgt Kuwait mit 5,1 Prozent. Einen absoluten Spitzenwert erreicht Oman mit 8,2 Prozent.  Dagegen konstatiert Sipri für den Iran einen Rückgang der Militärausgaben um 9,5 Prozent auf 13,2 Milliarden Dollar als Folge gravierender wirtschaftlicher Probleme.

Fakt ist: Höhere Militärausgaben machen die Welt nicht sicherer. Tatsächlich hat die Anzahl der Gewaltkonflikte, vor allem der innerstaatlichen, nach Schätzungen von Weltbank und Vereinten Nationen in den vergangenen zehn Jahren um 60 Prozent zugenommen.  

Zurecht forderte deshalb die Hilfsorganisation „Brot für die Welt“ anlässlich der Vorstellung der Sipri-Zahlen fest: „Die Staaten, die heute die Weltrangliste bei den Militärausgaben anführen, sollten endlich umsteuern und mehr Geld für Entwicklungszusammenarbeit, für die Vorbeugung und für die Bewältigung der Ursachen von Gewaltkonflikten aufwenden“. Wolle die Bundesregierung ihren eigenen Ansprüchen genügen, müsse deutlich mehr in zivile Krisenprävention und Friedensförderung als in den militärischen Bereich investiert werden.

Artikel von Otto König, ehemaliger 1. Bevollmächtigter der IG Metall (Hattingen) und Richard Detje, Redakteur der Zeitschrift Sozialismus (Hamburg)

Anmerkungen
(1) TRENDS IN WORLD MILITARY EXPENDITURE, 2018, Sipri-Fact-Sheet April 2019; Sipri wertete Daten von 155 Ländern aus. Das Institut stützt sich in dem jährlichen Bericht nicht nur auf offizielle Regierungsangaben zum Verteidigungsbudget, sondern berücksichtigt auch weitere Quellen wie Statistiken von Zentralbanken und der Nato sowie Regierungsantworten auf Umfragen etwa der Vereinten Nationen.
(2) Vgl. „Pentagon plant Raketenabwehr aus dem Weltraum“, Telepolis 30.04.201

Foto: Flugzeugträger, Defence-Imagery

 

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