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Sein weiter Weg ist zu Ende

Die IG Metall Gevelsberg-Hattingen betrauert den Tod des Menschen und Gewerkschafters – Benson R. Kapilya, der sein ganzes Leben gegen Unterdrückung gekämpft hat. Sein weiter Weg begann in Kitwe, einer Stadt im Norden Sambias, vormals Nord-Rhodesien. Hier wurde er 1943 als Sohn eines Geologen, der im Bergwerksdistrikt Copperbelt tätig war, geboren. Sein Weg endete viel zu früh am 10. Mai „tief im Westen“ – in der Ruhrgebietsstadt Bochum.  „Seine Kinder verlieren einen liebenswerten Menschen und wir einen unentwegten Kämpfer gegen Unterdrückung, Ausbeutung und Rassismus“, so Clarissa Bader, 1. Bevollmächtigte der IG Metall Gevelsberg-Hattingen.

Benson R. Kapilya interessierte sich schon als Schüler für den Befreiungskampf in seiner ursprünglichen Heimat im südlichen Afrika. Sowohl die Erzählungen seines Vaters als auch seine persönlichen Erfahrungen mit der massiven Unterdrückung seiner schwarzafrikanischen Brüder und Schwestern durch die britischen Kolonialherren, waren für ihn Anlass sich im Kampf für die Unabhängigkeit zu engagieren. Mit 16 Jahren wurde er Mitglied der „United National Independence Party“ (UNIP), deren Ziel die Unabhängigkeit Sambias von der Kolonialmacht Großbritannien war.

Aufgrund seiner Aktivitäten für die Freiheit, von den Briten als Subversion verfolgt, drohten ihm Verhaftung und Verurteilung. Auf Anraten seiner UNIP- Genossen, verließ der 17jährige 1962 sein Land zunächst in Richtung Tansania, dann ein Jahr später zum Studium in die Deutsche Demokratische Republik (DDR). Im thüringischen Sangerhausen absolvierte Benson 1964 ein einjähriges Praktikum im Bergbau. Nach seinen Erfahrungen unter Tage gab er den Berufswunsch Geologe auf, studierte zunächst am Spracheninstitut an der Universität Leipzig bis er 1966 sein endgültiges Studium im Fachbereich Elektrotechnik an der Technischen Universität (TU) in Dresden aufnahm.

Die Weigerung die Staatsangehörigkeit der DDR anzunehmen, „das hätte bedeutet, dass ich nicht mehr ins Ausland reisen gekonnt hätte“, brachten ihn in Konflikt mit dem Staatsapparat, schilderte er mir in einem unserer Gespräche seine Erfahrungen. Man verweigerte ihm den theoretischen Abschluss an der TU. Sein zweijähriges Praktikum ab 1970 im VEB Fimag in Finsterwalde konnte er absolvieren. Der spätere IG Metaller lente Anker und Elektromotoren wickeln und bauen.

Hier im südlichen Brandenburg lernte Benson seine spätere Frau Helga kennen. Die Probleme mit den DDR-Organen verschärften sich im Jahr 1971. Als er von einem längeren Aufenthalt in Sambia zurückkehrte, wurde er am Ostberliner Flughafen Schönefeld von den Staatsorganen abgegriffen und für 24 Stunden festgesetzt. Vertreter der Botschaft seines Landes in Moskau haben ihm daraufhin geraten, in die Bundesrepublik aus zu reisen. Die nächste Station auf seinem Lebensweg hieß nun Bonn – damals Hauptstadt der BRD. In Bad Godesberg erledigte Benson zunächst Arbeiten in der sambischen Botschaft in Bad Godesberg, bis er sich im August 1973 auf Einladung einer Familie aus Welper auf den Weg ins Ruhrgebiet machte. Aus dem Besuch bei den Welperanern, die er im ostdeutschen Finsterwalde kennengelernt hatte, wurde schließlich ein endgültiger Wohnsitz in der Ruhrstadt Hattingen. Seine Frau und ihre beiden Kinder – Tochter Ceciliah-Mary und Sohn Dennis – durften ebenfalls aus der DDR ausreisen. Die junge Familie richtete sich zunächst in einer Thyssen-Werkswohnung am Eichenweg ein.

Benson R. Kapilya fand auf der Hattinger Henrichshütte Arbeit und wurde zugleich Mitglied der IG Metall. Anfang der 1980er Jahre wählten ihn die Kollegen der Elektrowerkstatt zum IG Metall-Vertrauensmann. Der Gewerkschafter bildete sich auch beruflich weiter und machte parallel zu seiner Arbeit auf der Hütte seinen Techniker. Aufgrund seiner eigenen Erfahrungen hat er seinen Kindern immer geraten: Strengt euch an, ohne vernünftigen Abschluss habt ihr Probleme mit eurer Hautfarbe. Sie nahmen seinen Ratschlag an, machten ihr Abitur am Gymnasium Waldstraße in Hattingen und absolvierten erfolgreich ihr Studium – Ceciliah wurde Erziehungswissenschaftlerin und Dennis Mediziner.

Es war das Jahr 1983: Nach dem langen Kampf für die Unabhängigkeit seines Landes, begann nun der Kampf um den Erhalt der Henrichshütte. Die Schließung der 2,8-Meter-Grobblechstraße trieben Benson und seine Kollegen 1983 auf die Straße getrieben. Sie leisteten Widerstand. Die Auseinandersetzung um den Erhalt der Arbeitsplätze motivierten ihn zur Teilnahme an gewerkschaftlichen Seminaren, in denen er sich das Rüstzeug für die betriebliche und örtliche Gewerkschaftsarbeit erarbeitete. 1987 ging es an das Eingemachte: Thyssen wollte die Hütte stilllegen. Mit ungezählten Demonstrationen durch die Hattinger Innenstadt, Auto-Corsen nach Bonn und Düsseldorf, Mahnwachen, einer Menschenkette und einem „Dorf des Widerstandes“ wehrten sich die Stahlarbeiter*innen gegen die Kahlschlagpolitik des Thyssen-Konzerns. „Am Ende unseres zwölfmonatigen Kampfes haben wir die Schließung des hüttenmännischen Teils der Henrichshütte nicht verhindert“, sagte er in unserem Gespräch, fügte aber stolz hinzu, „die geplanten Entlassungen von 2.900 Kollegen konnten wir abwehren.“

Im Jahr 1988 musste der IG Metaller nach Duisburg wechseln. Als Elektromonteur baute er am Sitz der Thyssen-Stahlzentrale neue elektronische Schaltanlagen, beseitigte in vorhandenen Störungen und erkämpfte sich in der Auseinandersetzung mit dem neuen Betriebsleiter seinen beruflichen Status zurück, den er durch den Arbeitsplatzwechsel eingebüßt hatte. Zehn Jahre später ist Benson bei Thyssen in den Vorruhestand ausgeschieden.

Gewerkschaftlich und politisch setzte er sich jedoch nicht zur Ruhe. In seiner IG Metall engagierte er sich weiter im Seniorenarbeitskreis, im Migrantenausschuss und in der Delegiertenversammlung. In Bochum-Wiemelhausen mischte er im Vorstand des SPD-Ortsvereins mit. Mitglied der SPD wurde er 1986. Seine Erfahrungen in der IG Metall fasste er einmal so zusammen: „Vor allem habe ich gelernt mich durchzusetzen. Mich haben die Ehrlichkeit und die Menschlichkeit in den Reihen der MetallerInnen beeindruckt, die ich vielfach in anderen gesellschaftlichen Zusammenhängen vermisst habe.“

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