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Shutdown: Beschäftigte müssen wieder auf Einkommen verzichten

WSI: Krise verstärkt soziale Ungleichheit

Weniger Arbeitslose, weniger Kurzarbeiter*innen – auf dem Arbeitsmarkt ging es im Oktober wieder leicht aufwärts. Dieser Aufwärtstrend von Wirtschaft und Arbeitsmarkt dürfte sich allerdings in den letzten beiden Monaten dieses Jahres nur abgeschwächt fortsetzen.

Denn die Bundesregierung hat aufgrund der steigenden Zahlen von covid-19-Infizietrten einen weitgehenden Shutdown des öffentlichen Lebens beschlossen. So müssen u.a. Restaurants, Kinos und Theater für den gesamten Monat November schließen. In dieser Zeit dürfen sich nur wenige Menschen privat sowie in der Öffentlichkeit treffen und Hotels dürfen keine Tourist*innen mehr aufnehmen.

Wieder werden die Krisenlasten bei den abhängig Beschäftigten abgeladen. Millionen Menschen müssen erneut auf ihre Einkommen verzichten. Viele, die vom Kurzarbeitergeld profitieren, kommen selbst bei Aufstockung durch die Arbeitgeber kaum über die Runden. Und die, die arbeitslos werden, müssen mit dem bescheidenen Arbeitslosengeld auskommen, und fallen schnell in Hartz IV. 

Absehbar ist, dass sich vor allem die Lage der prekär Beschäftigten weiter verschlechtert. Insbesondere Minijobber werden schwer getroffen, da diese nicht über Kurzarbeit abgesichert sind. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg erwartet, dass in Folge der neuen Kontaktbeschränkungen „über 100.000 Jobs kurzfristig verlorengehen“ und die Zahl der Kurzarbeiter*innen erneut „deutlich steigen“ wird.

Wie die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung in einer aktuellen Studie darlegt, hat sich seit dem Shutdown im März die soziale Ungleichheit in Deutschland vergrößert. Es zeige sich, „wie die Krise bereits bestehende soziale Ungleichheiten verschärft, da sie vor allem jene trifft, die auch vor der Krise über eher geringe Ressourcen verfügten“, schreiben die wissenschaftliche Direktorin des WSI, Dr. Bettina Kohlrausch und ihr Ko-Autor Dr. Andreas Hövermann.

Erwerbstätige mit ohnehin niedrigen Einkommen sind stärker betroffen als solche, die bereits vor der Pandemie mehr Geld zur Verfügung hatten. Auch wer in einem prekären Job arbeitet, etwa als Leiharbeiter*in oder Minijobber*in, hat im Zuge der Krise häufiger Einkommen verloren als Stamm-Beschäftigte. Arbeitnehmer*innen mit Migrationshintergrund haben bislang häufiger an Einkommen eingebüßt als Personen ohne familiäre Zuwanderungsgeschichte. Ebenso sind Eltern öfter mit Einkommensverlusten konfrontiert als Kinderlose.

Rund 32 Prozent der mehr als 6000 zweimal befragten Erwerbspersonen, also Erwerbstätigen sowie Arbeitslosen, gaben an, im April und/oder im Juni durch die Pandemie Einkommenseinbußen erlitten zu haben. Im Zeitverlauf stieg der Wert von 18,5 Prozent im April auf 26 Prozent im Juni. Parallel zur Lockerung der Kontaktbeschränkungen in diesem Zeitraum sank aber gleichzeitig der Anteil der Personen, die befürchteten, in naher Zukunft Einkommen zu verlieren. Unter dem Strich sagten im April knapp 49 Prozent, sie hätten entweder bereits Einkommen eingebüßt, oder sie rechneten damit.

Auch deshalb ist ein Dach über dem Kopf für viele zum Luxus geworden. Etwa jeder siebte Einwohner hierzulande musste schon 2019, also vor der Corona-Pandemie, mehr als 40 Prozent seines monatlichen Einkommens für Miete und Heizung abdrücken. Das waren mehr als 11,4 Millionen Menschen, so Daten des Statistischen Bundesamtes.

Die Autoren der WSI-Studie stellten gleichzeitig fest, dass bewährte Schutzmechanismen auch in der Ausnahmesituation der Corona-Krise funktionieren. So mussten Beschäftigte, die in Betrieben mit Tarifvertrag und Betriebsrat arbeiten, im Vergleich seltener auf Einkommen verzichten. Kohlrausch und Hövermann warnen: Wenn Menschen diese Schutzmechanismen vor enthalten werden, könne das negative Folgen für die Demokratie haben

Ein Indiz dafür sei: Befragte, die durch Einkommensverluste belastet sind, beurteilen die politische und soziale Situation in Deutschland insgesamt deutlich kritischer. Und sie zeigen sich im Durchschnitt empfänglicher für „Verschwörungsmythen“ zur Pandemie. So stimmten im Juni von den Befragten mit Verlusten knapp 45 Prozent der Aussage zu: „Ich kann mir vorstellen, dass die Pandemie von Eliten benutzt wird, um die Interessen von Reichen und Mächtigen durchzusetzen.“ Unter denen, die keine Einbußen erlitten hatten, waren es 36 Prozent. Oder sie äußerten Bedenken „dass die Einschränkungen der Grundrechte“ nach der Krise nicht vollständig zurückgenommen würden.

Deshalb sei es „zentral, bei weiteren Maßnahmen zur Krisenbewältigung nicht nur die wirtschaftliche, sondern auch die Entwicklung der sozialen Gerechtigkeit im Blick zu haben“, fordern die Autoren. Deshalb ist zum einen in der anstehenden Metall-Tarifrunde 2021 ein klares Nein zur „Doppelten Nullrunde“ der Metall-Arbeitgeber angesagt. Zum anderen ist zur Überwindung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise ein „durchgreifender sozial-ökologischer Reformismus“ notwendig, der die „Weichen in Richtung Sozialschutz und ökologische Wirtschaftsdemokratie“ stellt. (Hans-Jürgen Urban)

Autor: Otto König

 

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