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Snowden

Wie erzählt man die Geschichte eines jungen Mannes, der sich von 2004 bis 2013 vom strammen Patrioten zum Whistleblower aus Gewissensgründen entwickelte, ohne, dass sie langweilig wird? Ein schwieriges Unterfangen, doch genau dies gelang Regisseur Oliver Stone mit dem Film über Edward Snowden. Er hat einen emotionalen und politisch gelungenen Thriller geschaffen. Er will zeigen: Snowden ist kein Verräter aus Mangel an Patriotismus, sondern ein Whistleblower gerade aus patriotischer Überzeugung.

Der Regisseur war sich von Anfang an der Brisanz bewusst, die sein Werk mit sich bringen würde. Für seinen Film konnte Oliver Stone kein Geld in den USA auftreiben. Alle großen Studios wollten mit dem Thema nichts zu tun haben. Daraufhin musste er nach Europa gehen und drehte vor allem in Deutschland.

Los geht es in Hongkong am 3. Juni 2013. Und zwar an dem Ort, an dem Edward Snowden die Dokumentarfilmerin Laura Poitras und die Journalisten Glenn Greenwald und Ewen MacAskill zum ersten Mal getroffen hatte. In seinem Hotelzimmer konfisziert er als erstes die Handys der drei Journalisten, die ihn dort befragen und filmen, und steckt ihre Geräte in eine Mikrowelle, die er sich extra angeschafft hat. Der Whistleblower will verhindern, dass Geheimdienste die Geräte als Wanze missbrauchen, um den Raum abzuhören. Tatsächlich haben Geheimdienste die Möglichkeit, Smartphones aus der Ferne zu kapern oder ihnen durch sogenannte „stille SMS“ Informationen zu entlocken.

Im Mittelpunkt des Films stehen jedoch keine Hackerklischees, sondern die Entwicklung Snowdens von einem naiven jungen Mann zu einem Menschen, der die Arbeit der Geheimdienste kritisch hinterfragt. Ursprünglich träumte er davon, Soldat einer Eliteeinheit zu werden und in den Irak-Krieg zu ziehen. Während der knochenharten Ausbildung bricht er sich aber beide Beine, die Kämpferkarriere geht abrupt zu Ende, bevor sie beginnt.

Der „moderne“ Kriegsschauplatz ist jedoch überall. Darum heuert der gelernte Informatiker beim US-amerikanischen Geheimdienst CIA an. Snowden hat Talent und steigt schnell auf. Doch je mehr Snowden erfährt, mit welchen umfassenden Methoden die NSA unfassbare Mengen an Daten sammelt, umso größer werden nicht nur die Zweifel an seiner Arbeit, sondern auch seine Gewissenskonflikte.

Dass er als Patriot sein Land schützen muss, glaubt er nach wie vor,  doch ob die Mittel der NSA dazu die richtigen sind, beginnt er anzuzweifeln. Kann man die Öffentlichkeit schützen, indem man sie belügt? Indem man sie für unmündig erklärt und die Gefahren vor ihr geheim hält? Und damit rechtfertigt, immer umfangreichere Überwachungsprogramme aufzulegen und im Namen der nationalen Sicherheit Widersacher zu töten?

„Terrorismus ist nur die Ausrede. Es geht um Kontrolle“, heißt es im Film. „Ich lag falsch“, erkennt der idealistische Staatsbürger enttäuscht, als der Hoffnungsträger Barack Obama seine Geheimdienste nicht an die Kette legt und von Datenschutz und Privatsphäre nur noch wenig wissen will. Die im Film gezeigten Überwachungsmethoden sind keineswegs überdramatisiert dargestellt.

„Ich habe doch nichts zu verbergen“, sagt Snowdens Freundin Lindsay Mills im Film wie viele andere Facebook-NutzerInnen oder SkyperInnen, als sie einen kleinen Aufkleber von der Webcam ihres Laptops entfernt, den Snowden dort angebracht hatte. Er weiß: Die NSA kann die Webcams ferngesteuert einschalten. Tatsächlich beweisen die Snowden-Enthüllungen, dass genau das möglich ist: Einige seiner geleakten Dokumente gehen auf ein Plug-in in der NSA namens Gumfish ein. Damit übernehmen die NSA und andere Partnergeheimdienste die Kamera von infizierten Rechnern und spähen den unwissenden Besitzer aus

Als Snowden mitbekommt, dass ein von ihm entwickeltes Backup-Programm mit Namen Epic-Shelter zum effizienten Abwickeln von Drohnenmorden genutzt wird, scheint seine Überzeugung gereift und sein Entschluss festzustehen: Er muss diese Aktivitäten der staatlichen Schnüffler an die Öffentlichkeit bringen. Das Leben des 29-Jährigen änderte sich radikal. Er setzte sein Leben und Sicherheit dafür aufs Spiel, indem er uns die Augen öffnete für die Wirklichkeit, in der wir leben.

Mit Joseph Gordon-Levitt hat Oliver Stone einen Hauptdarsteller gefunden, der Snowden mit überzeugender Wahrhaftigkeit verkörpert. Smart und dabei doch schrullig, naiv und zugleich raffiniert. Vom Aussehen ein harmlos wirkender junger Mensch, dem keiner zutraut, die mächtigste Nation der Welt im Alleingang vorzuführen.

Foto: Joseph-Gordon Levitt spielt den Whistleblower Edward Snowden  – Foto: Universal-Film

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