Sparpläne unter dem Deckmantel Corona. IG Metall: „Beschäftigungssicherung hat höchste Priorität“

Die Corona-Krise dominiert auch in der Region Ennepe-Ruhr-Wupper weiterhin das Wirtschaftsgeschehen. „Die schwierige wirtschaftliche Situation in einer Vielzahl von Betrieben ist jedoch nicht nur eine Folge der Pandemie“ betont Mathias Hillbrandt. Gemeinsam mit dem Ökonomen Prof. Heinz Bontrup und der Gewerkschaftssekretärin Jennifer Schmidt berichtete der IG Metall-Bevollmächtigte in einem Pressgespräch über Ursachen und Auswirkungen der krisenhaften Entwicklung in der hiesigen Metall- und Stahlindustrie.
Die rezessive Entwicklung Ende vergangenen Jahres habe die negativen Entwicklungen in den Ruhrgebietsstädten wie Witten, die der Strukturwandel in der Wirtschaft in den vergangenen Jahren hervorgerufen hat, verschärft, so Prof. Heinz Bontrup. Hinzu komme, dass die vielen Autozulieferer in der Region schon ohne Pandemie unter einem doppelten Druck stehen: Da sind zum einen die rigiden preislichen Vorgaben ihrer Abnehmer, die Automobilproduzenten, und zum anderen der zunehmende Druck im Transformationsprozess der Branche, also weg vom Verbrenner hin zur Elektromobilität.
Personalabbau unter dem Deckmantel „Corona“
„Zurzeit werden die vorhandenen Beschäftigungsprobleme noch mit dem Instrument Kurzarbeit gelöst. Doch es ist zu befürchten, dass im Herbst die Firmen mit Personalabbau um die Ecke kommen. Auch Insolvenzen sind nicht auszuschließen, sagt Mathias Hillbrandt und fügt hinzu: „Vielfach wird das dann unter dem Deckmantel Corona geschehen“. Die Unternehmer bzw. die „angestellten“ Geschäftsführer würden eher einseitig auf Sparprogramme setzen, statt strategisch zu investieren und ihre Beschäftigte für die Transformation zu qualifizieren.
Das erhöhe den Druck auf die Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben, schilderte Jennifer Schmidt. Die Versuche von Unternehmen sich durch Tarifabweichungen von Lohnkosten zu entlasten, um damit bestehende Liquiditätsprobleme zu lösen, würden zunehmen. Das treffe die Betroffenen besonders hart, da „sie schon durch Kurzarbeit Einkommensverluste haben“. Deshalb nehme der Widerstand der Beschäftigten in den Betrieben gegen weitere Belastungen zu.
Sicherung der Beschäftigung hat höchste Priorität
Natürlich wissen Betriebsräte und ihre IG Metall, dass die betroffenen Unternehmen in Witten und in der Region nicht allein mit Krediten ihre Liquidität-Engpässe überbrücken können“, so der IG Metall-Bevollmächtigte. „Sie benötigen Eigenkapital, um kreditwürdig zu bleiben.“ Deshalb habe die IG Metall bereits im vergangenen Jahr auf Bundesebene Arbeitsgruppen auch mit Investmentbankern initiiert, um Hilfsinstrumente für kleine und mittelgroße Betriebe zu entwickeln, die im Strukturwandel der Autoindustrie Liquiditätsprobleme haben, weil Kreditinstitute der Branche zunehmend misstrauen. Jetzt komme es vor allem darauf an, die Unternehmen so gut es geht durch die Krise zu führen und ihre Existenz zu sichern, denn das sichert auch die Arbeitsplätze der Beschäftigten.
Die Sicherung der Beschäftigung habe für die Gewerkschaft höchste Priorität, erklärten die Teilnehmer*innen des Pressegespräches. Allen Ansinnen durch Personalabbau die Krise bewältigen zu wollen, werde die IG Metall ein klare Absage erteilen. „Unternehmer, Politik und IG Metall sind jetzt gefordert, dass die Beschäftigten die Kurzarbeit für Qualifizierung und Weiterbildung nutzen können. Die Beschäftigten müssen für die Transformation vorbereitet werden, Qualifizierung ist die Grundlage“, sagt Mathias Hillbrandt. Nur so könne die Krise, die viele strukturelle Schwächen in den Betriebe ans Tageslicht bringe, bewältigt werden. Wichtig sei auch der Ausbau der unternehmerischen Mitbestimmung, so Prof. Bontrup, um strategische Entscheidungen im Zusammenhang mit Produktentwicklungen und Standortentscheidungen beeinflussen zu können.
Aktivere Rolle der Kommunalpolitik gefordert
Vom Bundesarbeitsminister Heil werde erwartet, dass er Regelungen schaffe, damit die Nutzung der Kurzarbeit auf 24 Monate verlängert werden kann. Gleichzeitig mahnte der Gewerkschafter eine aktivere Rolle der Kommunalpolitik in puncto Krisenprävention und
–bewältigung an. Ein „beratender Wirtschaftsbeirat“ unter Einbeziehung gesellschaftlich wichtiger Akteure (IG Metall/DGB, Arbeitgeberverband, Universität, Wirtschaftsförderung u.a.) könne Anregungen geben, wie sich beispielsweise die Stadt Witten während und nach der Corona-Krise wirtschaftlich aufstellen sollte.
Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise kosten Milliarden, dass der Staat mit seinem Konjunkturpaket in die Bresche gesprungen sei, ist richtig, denn nur so können Betriebe und Beschäftigung gesichert werden. Statt über die Einführung einer Vermögenssteuer zu beraten, um die aufgelaufenen Schulden zu finanzieren, so der Ökonom Bontrup, werde in neoliberalen Krisen erneut über eine „Austeritätspolitik“ diskutiert. Jennifer Schmidt warnte davor, die Lasten einseitig auf die abhängig Beschäftigten abzuladen, das spiele nur den „rechten Rattenfängern von der AfD in die Hände“. Zu Recht heiße es schon jetzt in den Betrieben: „Nicht auf unserem Rücken“.