Starke Betriebsräte und eine starke IG Metall sind gefragt

Die Zahl der Betriebe in Deutschland, die aufgrund des „Shutdowns“ im Zusammenhang mit der Corona-Krise Kurzarbeit angemeldet haben, ist Mitte April auf 725 000 gestiegen. Nach Berechnungen der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung sind mittlerweile rund vier Millionen Beschäftigte von Kurzarbeit betroffen. Nach Angaben des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall arbeiten allein in der Metallindustrie bereits 1,2 Millionen Arbeitnehmer kurz.
Eine Umfrage unter Betriebsratsvorsitzenden schwerpunktmäßig im Bereich Gevelsberg-Hattingen zeigt ein differenziertes Bild: Von Anfang stark betroffen sind die Automobil-Zuliefererbetriebe, vor allem nachdem die Konzerne VW, BMW, Daimler schon im März die Produktion stillgesetzt haben. Dagegen kommen Maschinenbau-Betriebe zum jetzigen Zeitpunkt noch weitgehend ohne Kurzarbeit über die Runden. Und ein weiteres ist aus den Antworten der ehrenamtlichen IG Metall-Funktionäre herauszuhören: Nicht nur, aber besonders in krisenhaften Zeiten ist es für die Beschäftigten äußerst wichtig, ob es einen Betriebsrat gibt und eine starke IG Metall im Betrieb vertreten ist.
„Aus Sicht der Beschäftigten haben die Sicherheit des Arbeitsplatzes und der Schutz der Gesundheit oberste Priorität“, sagt Udo Kuhlmann. Der Betriebsratsvorsitzende des Ennepetaler Automobil-Zulieferers Bharat Forge CDP schildert, dass ausgelöst durch die Produktionsstilllegungen bei den Automobilhersteller es notwendig wurde, eine Betriebsvereinbarung zur Kurzarbeit abzuschließen und betriebliche Aufzahlungen auf das Kurzarbeitergeld durchzusetzen. „Denn für unsere Kolleginnen und Kollegen, die in Kurzarbeit Null sind, bedeutet dies bis zu 40 Prozent weniger Geld“, so der Gewerkschafter. Es sei ihnen gelungen eine 15.prozentige Aufstockung des gesetzlichen KUG durchzusetzen.
Aufzahlungen zum KUG gibt es nur mit starken Betriebsräten
Wie wichtig ein Betriebsrat ist, zeigte sich erneut beim Gussproduzenten Dieckerhoff in Gevelsberg. „Wenn es nach dem Geschäftsführer gegangen wäre, hätte dieser die Beschäftigten einfach ab 23. März ohne Bezahlung nach Hause geschickt“, berichtet Betriebsratsvorsitzender Sadi Demir. Mit Unterstützung der IG Metall sei es gelungen, eine Betriebsvereinbarung abzuschließen, eine Regelung für die ausgefallenen Tage zwischen dem 23.03 und 03.04 zu finden und eine Aufstockung zum KUG durchzusetzen. Demir: „Diese Aufstockung war für uns besonders wichtig, denn gerade in der Gießerei werden viele Beschäftigte in den unteren Entgeltgruppen entlohnt“. Wie sollen die denn mit 60-Prozent vom Netto-Entgelt ihre Familie ernähren und die Miete bezahlen.
Fakt ist: Aufzahlungen zum KUG gibt es nur in den Betrieben, wo es starke Betriebsräte gibt und die IG Metall viele Mitglieder und Betrieb hat, das kommt in allen Gesprächen mit den Betriebsratsvorsitzenden zum Ausdruck. So ging der Abschluss der Betriebsvereinbarung zur Einführung der Kurzarbeit beim Automobilzulieferer ABC Umformtechnik in Gevelsberg „relativ geräuschlos über die Bühne“, sagt der Betriebsratsvorsitzende Thomas Staar. Maximal 60 Prozent der Beschäftigten sind von der Maßnahme betroffen. Sein Kollege Asim Islah im Gruppenverbund der Altenloh, Brinck & Co. KG, Betriebsratsvorsitzender der SPAX International schildert, dass sie „in der Produktion gut zu tun haben“. Eine Erklärung hierfür ist wohl, dass die Baumärkte die SPAX mit seinen Schrauben beliefert vom „Shutdown“ nicht betroffen sind. „Für uns stehen die Fragen des Gesundheitsschutzes für unsere Beschäftigten im Vordergrund“, betont Asim Islah: „Wer kann, arbeitet im Home-Office; in der Produktion wird auf Sicherheitsabstand geachtet“.
Beschäftigte vor dem Coronavirus schützen
Dass die Arbeitsweise Home-Office angewandt wird, vorwiegend im Angestelltenbereich, auf Sicherheitsabstände in der Produktion geachtet und dort wo dieser nicht eingehalten werden kann, Mund und Nasenschutzmasken ausgegeben werden, Desinfektionsmittel angeboten, Pausenräume geschlossen und versetzte Anfangszeiten bei überlappenden Schichten gefahren werden, um die Gefahr von Infektionen einzudämmen, berichten alle Betriebsratsvorsitzenden.
Claus Möller, Betriebsratsvorsitzender der Stüwe GmbH im Hattinger Ludwigstal, und Gerd Starosta, Betriebsratsvorsitzender der O&K Antriebstechnik im Gewerbepark Henrichshütte, unterstreichen wie wichtig gerade jetzt die Arbeit der Betriebsräte ist. „Ein vernünftiger Arbeits- und Gesundheitsschutz wird nur in den Betrieben praktiziert, wo starke Betriebsräte, unterstützt von der IG Metall, Einfluss im Interesse der Beschäftigten nehmen“, betonen beide.
Das gilt nicht nur, aber vor allem die Betriebe, die bisher nicht von Kurzarbeit betroffen sind.
„Wir haben noch einen Produktionsrückstand aufzuholen und sind zu dem im Ersatzteilgeschäft tätig“, erläutert der stellv. Betriebsratsvorsitzende Jürgen Battenfeld die Situation beim Stoßdämpferhersteller Thyssenkrupp Bilstein in Ennepetal, wo noch voll gearbeitet wird. Im rheinland-pfälzischen Werk in Mandern, das direkt an die Automobilhersteller liefere, müsse dagegen Kurzarbeit verfahren werden.
Oben auf dem Berg in Voerde läuft „die Produktion beim Türschließer-Spezialisten dormakaba ebenfalls noch rund“, so der stellv. Betriebsratsvorsitzende Markus Reiniger. Etwas weniger zu tun gäbe es nur bei den Service-Technikern, da mancher Kunde derzeit Servicearbeiten schieben würde. Wie bei allen Betriebsräten wurde auch bei dormakaba, die Arbeit des Gremiums der aktuellen Lage entsprechend verändert. Mehr Aufgaben wurden auf den Betriebsausschuss übertragen, Sitzungen finden in einem größeren Raum in der Kantine statt, um den Abstand zwischen den BR-Mitgliedern gewährleisten zu können. „Als Ersatz für Sitzungen des Konzernbetriebsrates nutzen wir Video-Konferenz“, sagt Markus Reiniger.
Veränderte Arbeitsweise der Betriebsratsgremien
Über Video-Konferenzen organisieren auch die Betriebsratskollegen bei der Maschinenfabrik Paul Pleiger im Hammertal ihre Sitzungen, „um uns abzusichern, dass unsere Beschlüsse Bestand haben, haben wir uns von der Geschäftsführung schriftlich bestätigen lassen, dass die Beschlüsse anerkannt und wir haben unsere Geschäftsordnung ergänzt“, so der Vorsitzende Jörg Porwollik. Die rechtliche Unsicherheit bei der Durchführung von Video-Konferenzen statt BR-Sitzungen wird möglicherweise in den nächsten Tagen beseitigt, wenn der § 129 „Sonderregelungen aus Anlass der Covid-19-Pandemie“ vorübergehend ins BetrVG eingefügt wird.
Kurzarbeit wird bei Paul Pleiger nicht verfahren, dennoch schaut Jörg Porwollik etwas sorgenvoll in die Zukunft, vor allem wenn sich sein Blick nach Leer/Papenburg wendet. Hier auf der Meyer-Werft, ein Großabnehmer von Schiffbau-Produkten aus dem Hammertal, werden die riesigen Kreuzfahrtschiffe zusammen gebaut. Der weltweite Stillstand der Kreuzfahrtbranche wegen der Corona-Pandemie lasse das Unternehmen über Kurzarbeit und den Abbau von Arbeitsplätzen nachdenken, so die mediale Botschaft aus dem Norden der Republik.
Autor: Otto König