
Mit dem Novemberentgelt kommt das Weihnachtsgeld. Nur 53 Prozent der Arbeitnehmer*innen in Deutschland können sich über die Zahlung dieser Sonderzahlung freuen, wie eine aktuelle Auswertung des vom WSI betreuten Internetportals lohnspiegel.de, zeigt. Denn es gibt keinen gesetzlichen Anspruch darauf. „Am besten sind die Beschäftigten dran, wenn „ihr“ Unternehmen an einen Tarifvertrag gebunden ist“, so die IG Metall Bevollmächtigte Clarissa Bader. Die einen tarifvertraglichen Anspruch haben, bekommen in diesem Jahr 76 Prozent Weihnachtsgeld, von denen ohne Tarifverträge nur 42 Prozent.
„Wenn der Tarifvertrag fehlt, erklärt Bader, sind die Beschäftigten oft gleich doppelt benachteiligt.“ Deshalb beobachten die WSI-Forscher den Rückgang der Tarifbindung mit Sorge. Zuletzt arbeiteten im Westen nur noch 56 Prozent, im Osten 45 Prozent der Beschäftigten in einem Betrieb mit Tarifvertrag. Frauen erhalten seltener Weihnachtsgeld als Männer. Bei den Frauen sind es 50 Prozent, bei den Männern 55 Prozent. Auch hier spielt die Tarifbindung eine wichtige Rolle: Denn Frauen arbeiten häufiger als Männer in Branchen, wie beispielsweise im Einzelhandel, wo die Tarifbindung in den letzten Jahren besonders stark zurückgegangen ist.
Clarissa Bader: „Doch es darf nicht dabei bleiben, dass wir die sinkende Tarifbindung nur beobachten, wir müssen dem entschieden entgegenwirken.“ Eine wichtige Voraussetzung sei, so die Gewerkschafterin, dass sich die Beschäftigten in den Betrieben in der IG Metall organisieren. Nur gut organsierte Arbeitnehmer*innen sind gemeinsam mit ihrer Gewerkschaft in der Lage; die Tarifbindung in „ihrem“ Betrieb durchzusetzen.
Tarifvertraglicher Anspruch auf Weihnachtsgeld
Grundsätzlich steht Arbeitnehmer*innen Weihnachtsgeld zu, wenn es im Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder im Arbeitsvertrag festgeschrieben ist. Gehört die Firma einem Arbeitgeberverband an und der/die Beschäftigte ist Mitglied der IG Metall, dann hat er/sie einen tarifvertraglichen Anspruch. Das gilt auch für Betriebe, die zwar nicht Mitglied im Verband sind, aber mit der IG Metall einen Anerkennungs- oder Haustarifvertrag abgeschlossen haben.
Besteht nur ein individueller Arbeitsvertrag, in dem ein Weihnachtsgeld in Aussicht gestellt wird, kann der Geschäftsführer jährlich neu entscheiden, ob er Weihnachtsgeld zahlt oder nicht. Hat er es jedoch drei Jahre nacheinander vorbehaltlos gewährt, kann er es nicht plötzlich verweigern. Der Betriebsrat kann sich mit den Betroffenen auf das Gewohnheitsrecht berufen, was Juristen betriebliche Übung nennen.
Weihnachtsgeld gehört wie das Urlaubsgeld zu den Sonderzahlungen. Das heißt: Der Arbeitgeber darf nicht ohne sachlichen Grund einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen ausschließen oder schlechter stellen, Arbeiter*innen nicht schlechter behandeln als Angestellte. Teilzeitbeschäftigten steht der Anteil zu, der ihrer Arbeitszeit entspricht.
Tarifliches Weihnachtsgeld
Die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie erhalten 55 Prozent ihres durchschnittlichen Monatsentgelts. In der Stahlindustrie ist das Weihnachtsgeld mit dem Urlaubsgeld zu einer Sonderzahlung von 110 Prozent zusammengefasst. Auf das tarifliche Weihnachtsgeld haben in der Regel nur diejenigen Anspruch, die schon sechs Monate im Betrieb beschäftigt sind. Auch die Höhe des Weihnachtsgelds ist oft an die Betriebszugehörigkeit gekoppelt – der volle Anspruch besteht meist nach 36 Monaten.
Falls das Arbeitsverhältnis nach dem Auszahlungsstichtag endet, sind Beschäftigte nach den Tarifverträgen der Metall- und Elektroindustrie nicht verpflichtet, das Weihnachtsgeld zurückzuzahlen. Häufig gibt es aber einzelvertragliche Rückzahlungsklauseln. Auch in Betriebsvereinbarungen können solche Regelungen festgeschrieben sein. Es gilt: Rückzahlungsklauseln müssen vereinbart sein.
In der Metall- und Elektroindustrie haben auch Beschäftigte mit Langzeiterkrankung einen ungekürzten Anspruch auf tariflich abgesichertes Weihnachtsgeld. Das ist regional und in den einzelnen Branchen unterschiedlich geregelt.
Insgesamt sehen in den meisten Wirtschaftszweigen die geltenden Tarifverträge ein Weihnachtsgeld vor, so die aktuelle Auswertung des WSI-Tarifarchivs von 23 großen Branchen. Ein vergleichsweise hohes Extra bekommen unter anderem die Beschäftigten im Bankgewerbe, in der Süßwarenindustrie, in der chemischen Industrie, in der Druckindustrie, in der Papierindustrie sowie in der westfälischen Textilindustrie, die 95 bis 100 Prozent eines Monatseinkommens zahlen. Zu den wenigen großen Wirtschaftszweigen, deren Beschäftigte leer ausgehen, gehört aktuell noch das Gebäudereinigerhandwerk.
Foto: IG Metall-Kundgebung zur Tarifrunde 2018 in Gevelsberg – Thomas Range