„Testpflicht“ der Unternehmen

Corona-Pandemie: Testangebot und Schutzimpfung
Die Bundesregierung hat vor dem Hintergrund der steigenden Corona-Infektionszahlen eine „Testpflicht“ der Unternehmen beschlossen. „Die IG Metall begrüßt, dass die Arbeitgeber*innen verpflichtet werden, ihren Beschäftigten COVID-Tests anzubieten. Regelmäßige Tests sind eine wichtige Maßnahme, um Beschäftigte, die nicht im Homeoffice arbeiten können, zu schützen“, kommentiert die Erste Bevollmächtigte Clarissa Bader den Beschluss.
Das Bundeskabinett hat eine Änderung der Arbeitsschutzordnung beschlossen: Verlängert wird die Pflicht für Unternehmen, ihren Beschäftigten wo irgend möglich die Arbeit im Homeoffice zu erlauben. Zusätzlich werden sie verpflichtet, Beschäftigten, die nicht ausschließlich im Homeoffice arbeiten, unabhängig von Betriebsgröße oder Firmenstandort mindestens einmal pro Woche einen Schnell- oder Selbsttests anzubieten.
Für bestimmte Gruppen mit engem oder häufigem Kundenkontakt, sind es zwei Tests pro Woche. Die Unternehmen können Selbsttests, Schnelltests durch geschultes Personal oder PCR-Tests anbieten. Eine Bescheinigung über das Testergebnis müssen sie nicht ausstellen. Sie müssen nicht dokumentieren, ob ihre Beschäftigten die Angebote auch nutzen. Auch von der Firma bezahlte Selbsttests für die Beschäftigten sind damit möglich.
Verstößt ein*e Arbeitgeber*in gegen die geltende Arbeitsschutzverordnung, muss mit Sanktionen gerechnet werden. So sind laut Bund-Verlag Bußgelder bis 30.000 Euro oder gar Betriebsschließungen möglich. Die entsprechende Änderung der Arbeitsschutzverordnung soll gemeinsam mit der geplanten Novelle des Infektionsschutzgesetzes für eine bundesweite Corona-Notbremse in Kraft treten und ist zunächst bis Ende Juni befristet
Eine „Testpflicht“ für Beschäftigte gibt es nicht
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) befürwortet das Vorhaben grundsätzlich. Bei dem Beschluss handelt es sich jedoch lediglich um eine Angebotspflicht, eine Testpflicht für Beschäftigte gibt es nicht: Arbeitnehmer*innen sind nicht verpflichtet, das Testangebot ihres Unternehmens auch anzunehmen.
Denn ein Corona-Test ist ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Ausnahmen gibt es aber, wenn Beschäftigte Corona-typische Symptome aufweisen, in Risikogebieten im Urlaub waren, mit oder mit Risikogruppen zusammenarbeiten. Da es keine Pflicht für die Beschäftigten zur Teilnahme gibt, appelliert der 2. IG Metall-Bevollmächtigte: „Die Kolleginnen und Kollegen sollten das Angebot zu Tests unbedingt wahrnehmen, denn der Erhalt der Gesundheit ist äußerst wichtig.“
Beschluss eine „schlichte Selbstverständlichkeit“
Was die Bundesregierung beschlossen hat, ist bei Lichte betrachtet eine schlichte Selbstverständlichkeit – vergleichbar mit der Vorschrift, ein Geländer an einem Baugerüst zu installieren, um die Arbeiter*innen vor dem Herabstürzen zu sichern. Umso bemerkenswerter ist der Aufschrei vieler Verbandsvertreter. Steffen Kampeter, BDA-Hauptgeschäftsführer sprach von einem „Misstrauensvotum“. Die Testpflicht diskreditiere das freiwillige Engagement der Unternehmen, schimpfte der Verbandsvertreter. Gesamtmetall-Präsident Stefan Wolf sieht in der Testpflicht eine „politische Verzweiflungstat“, um von „eigenen Versäumnissen abzulenken“. Ihr Aufstand gegen die „Verpflichtung“ zeigt, dass für sie die Profitmaximierung über allem steht – auch über Menschenleben. Dass berufsbedingte Kontakte ein Infektionsrisiko bergen, ist unbestritten. Doch das genaue Ausmaß des Beitrags der Arbeit zum Infektionsgeschehen ist noch weitgehend unbekannt. Es gibt bisher kaum Studien darüber, welche Rolle die Betriebe bei der Verbreitung des Coronavirus spielen. Man muss sich fragen: warum wohl? Denn Aerosole verbreiten sich nicht nur in Kitas und Gaststätten, sondern auch in Werkshallen und Großraumbüros.
Testangebot – es klafft eine Lücke zwischen großen und kleinen Betrieben
Bundesarbeitsminister Heil (SPD) lobte die bisherigen Anstrengungen der Unternehmen, wies aber gleichzeitig darauf hin, dass diese nicht ausreichen. Das zeigt auch eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Danach klafft beim Testen ein riesiger Graben zwischen großen und kleinen Betrieben. 60 Prozent der größeren Firmen mit mehr als 250 Beschäftigten bieten bereits Tests an. Doch nur halb so viele, 29 Prozent, der Kleinunternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten tun dies. Das Fazit ist klar: Es sind vor allem die kleineren Firmen, die hinterherhinken, wenn es um das von der Bundesregierung ausgegebene Ziel geht, wonach mindestens 90 Prozent der Unternehmen testen müssen. Aber auch bei den Großen ist noch mehr drin. Vier von zehn Beschäftigten bekämen derzeit kein Testangebot, klagte Hubertus Heil.
Arbeitgeber*innen wollen sich vor den Kosten drücken
Der wahre Grund für die Empörung der Arbeitgeber*innen liegt auf der Hand: Es geht darum, wer am Ende die Rechnung bezahlt. Nordmetall-Chef Nico Fickinger moserte: Der Staat solle die Testkits bezahlen und darüber hinaus klarstellen, dass die Zeit, die für den Test benötigt wird, nicht als Arbeitszeit gerechnet wird. Tatsächlich hat das Bundeskabinett beschlossen, dass die Kosten für die Tests die Unternehmen selbst tragen müssen. Für die Laufzeit der Verordnung bis Ende Juni kalkuliert das Arbeitsministerium mit bis zu 130 Euro pro Beschäftigten. Infektionszahlen nicht zu senken, ist weitaus teurer.
Zumal Firmen die Kosten steuerlich geltend machen können. Und Betriebe, die tatsächlich in Not sind, können die Kosten für Schnelltests ohnehin im Rahmen der Überbrückungshilfe III geltend machen. Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums sind neben Desinfektionsmitteln und Schutzmasken auch Schnelltests und die Schulung von Beschäftigten zu Hygienemaßnahmen förderfähig und auch bei den Überbrückungshilfen werden sie berücksichtigt.
Diese Anspruchshaltung der Wirtschaftsbosse die Kosten der Corona-Pandemie allein durch Steuergelder, und damit letztlich durch die abhängig Beschäftigten tragen zu lassen, denn sie zahlen die meisten Abgaben und Steuern, wirft schlaglichtartig ein Licht auf die kommenden Verteilungsauseinandersetzungen. Von den Kampeters, Wolls und Fickingers ist nicht zu erwarten, dass die Kosten der Corona-Krise solidarisch geschultert werden sollen.
Schutzimpfung gegen Corona
Wie bewerten das die Gewerkschaften grundsätzlich?
Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften vertreten die Auffassung, dass wirksame Impfungen im Hinblick auf die erfolgreiche Bekämpfung von Pandemien und die Immunisierung der Bevölkerung gegen gefährliche Krankheiten wichtig sind.
Gibt es eine Impfflicht?
Eine gesetzliche Impfpflicht gegen Sars-CoV-2 gibt es nicht. Die Corona-Impfverordnung regelt ausschließlich ein Recht auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2. Das gilt auch für das Arbeitsverhältnis.
Können die Arbeitgeber*innen eine SarsCoV-2 Impfung verlangen?
Die Arbeitgeber*innen können eine solche Impfung grundsätzlich nicht verlangen, es sei denn, sie ist gesetzlich für bestimmte Beschäftigtengruppen vorgeschrieben. Dies ist bei der Corona-Schutzimpfung nicht der Fall. Der Grundsatz der Freiwilligkeit gilt auch mit Blick auf § 23a IfSG.
Darf eine Impfflicht auf Grundlage einer Betriebsvereinbarung im Betrieb eingeführt werden?
Betriebsrat und Arbeitgeber haben gemäß § 75 Abs. 2 BetrVG bei ihren Regelungen die Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten zu achten und zu schützen. Daraus folgt, dass ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit in Gestalt einer zwingenden Pflicht zur Impfung auch durch eine Betriebsvereinbarung nicht zu rechtfertigen ist. Eine zwingende Pflicht zur Impfung durch eine Betriebsvereinbarung kann daher nicht wirksam eingeführt werden.
Kann der Arbeitgeber den Zugang zum Betrieb oder sozialen Einrichtungen des Betriebs verweigern, wenn jemand nicht geimpft ist?
Nein, das kann er grundsätzlich nicht. Das arbeitsrechtliche Maßregelungsverbot aus § 612a BGB verbietet nicht nur die Benachteiligung von Beschäftigten, welche in zulässiger Weise ihre Rechte (z.B. Anspruch auf Schutzimpfung) ausüben, sondern auch den umgekehrten Fall der Benachteiligung von Beschäftigten, welche ihren Anspruch (auf Schutzimpfung) nicht wahrnehmen wollen.
Müssen die Beschäftigten den Arbeitgeber*innen Auskunft darüber erteilen, ob sie gegen Corona geimpft sind?
Nein, diese Auskunft schulden Sie den Arbeitgeber*innen nicht. Von der gesetzlich geregelten Masernimpfpflicht abgesehen – diese gilt seit dem 1. März 2020 für die Beschäftigten zum Beispiel in Kitas und Schulen – ist Impfen Privatsache der Beschäftigten.
Kann der Impftermin während der Arbeitszeit wahrgenommen werden?
Grundsätzlich sind Beschäftigte angehalten, Termine der Gesundheitsvorsorge nach Möglichkeiten außerhalb der Arbeitszeit zu legen. Im Falle der Corona-Schutzimpfung haben Beschäftigte aktuell keinen Spielraum bei der Terminvergabe. Werden Beschäftigten ausschließlich Termine während der Arbeitszeit angeboten, besteht das Recht, für den Termin der Arbeit fernzubleiben. Das Unternehmen ist über das Fernbleiben von der Arbeit so früh wie möglich zu informieren.
Was passiert mit der Vergütung, wenn der Impftermin während der Arbeitszeit wahrgenommen werden muss?
Die DGB-Gewerkschaften haben ein klares gesetzliches Recht für die Beschäftigten gefordert, für die Wahrnehmung der Corona-Impftermine während der Arbeitszeit unter Fortzahlung der Vergütung freigestellt zu werden. Die Verordnung sieht dieses Recht jedoch nicht vor.
Grundsätzlich greift zwar für die Wahrnehmung der Impftermine der Grundsatz, dass Beschäftigte ihr Recht auf Vergütung nicht verlieren, wenn sie aus persönlichen Gründen vorübergehend an der Arbeitsleistung ohne eigenes Verschulden verhindert sind (§ 616 S. 1 BGB). Diese Regelung kann aber vertraglich (durch Tarif- oder Arbeitsverträge) verändert oder auch abbedungen werden. Zahlreiche Tarifverträge und Einzelverträge schließen diesen Anspruch aus. Es kommt daher stets darauf an, was in den für auf das jeweilige Arbeitsverhältnis anwendbaren Vereinbarungen geregelt ist.
Hat es rechtlich Konsequenzen, wenn sich Beschäftigte nicht impfen lassen, obwohl ihnen eine Corona-Impfung angeboten wurde?
Die Arbeitgeber*innen können die fehlende Schutzimpfung nicht sanktionieren, da es weder eine gesetzliche Impfpflicht gibt noch diese einseitig eingeführt werden kann.
Beschäftigte, die durch die Quarantäne einen Verdienstausfall erleiden (etwa dann, wenn sie während der Quarantäne nicht von Zuhause arbeiten können), haben grundsätzlich Anspruch auf eine Entschädigung ihres Verdienstausfalls durch den Staat (§ 56 Abs. 1 IfSG).
Dieses Recht entfällt zwar, wenn die Quarantäneanordnung durch die Inanspruchnahme einer Schutzimpfung, die öffentlich empfohlen wurde, vermeidbar gewesen wäre (§ 56 Abs. 1 S. 3 IfSG). Allerdings ist derzeit nicht geklärt, ob sich durch die Inanspruchnahme der Corona-Schutzimpfung die Quarantäneanordnung tatsächlich vermeiden lässt. Nach einer aktuellen Entscheidung können auch Personen trotz Impfung als Ansteckungsverdächtige gelten und deshalb unter Quarantäne gestellt werden (VG Neustadt a.d. Weinstraße, Beschluss vom 15.03.2021 – 5 L 242/2; 5 L 243/21). Im Umkehrschluss ist daher zweifelhaft, ob diejenigen, die trotz Möglichkeit nicht geimpft sind, aufgrund der fehlenden Impfung von der Entschädigungszahlung bei angeordneter Quarantäne ausgeschlossen werden können.
(Autor: Otto König / Unter teilweiser Verwendung eines Textes des DGB / Stand 20.04.2021)