AktuellesArtikelPolitisches

Trump – der „bombende Weltpolitiker“

Donald Trump inszenierte seinen Militärschlag gegen Syrien wie eine makabre Reality-Show. Mitte April griffen die USA mit 59 „Tomahawk“-Raketen als Antwort auf einen mutmaßlichen Giftgaseinsatz in Khan Scheikhun, einen syrischen Luftwaffenstützpunkt an – ohne gesicherte Erkenntnisse über die Verantwortlichen und ohne Mandat des Weltsicherheitsrats. Der Meister der Manipulation, bediente sich der „imperialen Theorie“ (1) von Henry Kissinger und griff auf die schlimmsten Traditionen der US-Außenpolitik zurück. 

Sein Kalkül ging auf: Für kurze Zeit war der bestgehasste US-Präsident plötzlich Liebling selbst der „kritischen“ Journalisten in den USA und in Westeuropa und das Thema „Russland-Connection“ wurde in den Hintergrund gedrängt. Kommentatoren krönten Trump reflexartig zum „Präsidenten der Vereinigten Staaten“, als werde man das nicht mit einer Wahl, sondern erst mit einer Kriegshandlung. Herausgeber Berthold Kohler fragte in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung begeistert: „Ist das die Geburtsstunde eines Weltpolitikers mit Weitblick?“ (07.04.2017)

Während Bundesaußenminister Sigmar Gabriel und Kanzlerin Merkel „Verständnis“ für den völkerrechtswidrigen Angriff äußerten und das tödliche Bombardement als „nachvollziehbar“ bezeichneten, zollten die Regierungen Saudi-Arabiens, Großbritanniens, der Türkei, Japans und Israels sowie die NATO und die EU offen Beifall. Dabei hat der Militärschlag gegen Syrien nichts mit Giftgas zu tun.

Tatsächlich ist die vermeintlich moralische Empörung der US-Administration ein heuchlerisches Spiel um Deutungshoheiten und zugleich Rechtfertigung für die eigenen Angriffe. Das belegt die lange Geschichte der US-Invasionen in Südostasien, Lateinamerika und nun im Nahen und Mittleren Osten. Imperiale Kriegslogik kennt keine Moral. Sie setzt sich über das Völkerrecht hinweg, verschärft Kriegs- und Terrorgefahren, sät neuen Hass und setzt eine weitere unkontrollierbare Eskalation der Gewalt in Gang.

Die Mühen der Diplomatie verachtend, setzte Donald Trump nur wenige Tage später diese Art von „kriegerischer“ Politik fort: Über mutmaßlichen Stellungen des Islamischen Staats (IS) in Afghanistan ließ die US-Armee die „Mother of all Bombs“ (Mutter aller Bomben) (2) abwerfen. Worauf der ehemalige afghanische Präsident Hamid Karsai twitterte: „Das ist kein Krieg gegen den Terror, sondern der unmenschliche und höchst brutale Missbrauch unseres Landes als Testgelände für neue und gefährliche Waffen.“

Natürlich war der Abwurf der „GBU-43“ kein Signal an den IS, sondern eine Drohung gegenüber dem Iran und mehr noch gegen die Demokratische Volksrepublik Korea. Das Säbelrasseln gegenüber Nordkorea wird das dortige Regime nur dann beeindrucken, wenn es glaubt, „dass Trump nicht nur ein Plastikschwert an seiner Hüfte hängen hat – und dass er auch dazu bereit wäre, im Streit um die nukleare Aufrüstung blankzuziehen“ (Berthold Kohler)

Diese „Rambo-Politik ist auch deshalb möglich, weil sich die politischen Führer der Mitgliedsstaaten des nordatlantischen Verteidigungsbündnisses, das er einst als „obsolet“ bezeichnet hatte, sich ihm gegenüber als devot und willig zeigen. Bevor Trump Ende Mai seinen Auftritt als Waffengroßhändler in Saudi-Arabien beendete und zu der „Tagung“ der NATO-Staats- und Regierungschefs in Brüssel hinzustieß und ihnen eine Gardinenpredigt über das ausstehende „Schutzgeld“ hielt, hatten diese schon weitreichende Entscheidungen getroffen wie der offizielle Eintritt der NATO in den Krieg gegen den „Islamischen Staat“ und die Erstellung nationaler Aufrüstungspläne.

Was konkrete Militäreinsätze anbelangt, ist der offizielle Eintritt des Bündnisses in den Krieg gegen den „IS“ die wohl weitreichendste Entscheidung. Zwar bekämpfen in unterschiedlichem Ausmaß alle 28 Nato-Mitglieder bereits bisher die Terrormiliz – allerdings nicht im Bündnis. Jetzt sollen im Verbund, die Einflusssphären in Syrien konsolidiert oder ausgedehnt werden, im Hoheitsgebiet eines souveränen Staates, dessen Erlaubnis gar nicht erst eingeholt wird. Die bisher kritische deutsche Sicht, dass ein Bündnisengagement die Konflikte in Syrien und dem Irak verschärfen und die Friedensbemühungen erschweren könnte, wurden auf dieser Tagung dem von Trump vorgegebenen gemeinsamen Ziel des „Anti-Terror-Kampfes“ untergeordnet.

Auffällig ist, dass die Nachricht über diesen Schritt mit der Beschwichtigung einhergeht „an Kampfeinsätzen will sich das Bündnis nicht beteiligen.“ „Aufklärung und Koordination“ seien die Ziele: Die Awacs-Flugzeuge (3) würden künftig nicht nur zur Luftraumbeobachtung, sondern auch als fliegende Kommandozentralen zur Koordinierung des Luftverkehrs der Anti-IS-Koalition eingesetzt und dies in einem Luftraum, im dem Russlands Luftwaffe in Absprache mit der syrischen Regierung dominiert. Während der militärische Nutzen der Mission mehr als zweifelhaft ist, werden Risiken der Eskalation offenkundig.

Insofern ist Donald Trump ein Segen für die Hardliner, die in der Nato und in der EU auf Hochrüstung und Militarisierung drängen. Seine Breitseiten auf die vermeintlich zu geringen Verteidigungsausgaben der Nato-Staaten werden genutzt, um in den europäischen Staaten Rüstungsmaßnahmen durchzudrücken, die angesichts des Widerstandes in der Bevölkerung nur schwer zu rechtfertigen wären. Das alles sei ohne Alternative: Zum einen bedürfe es der Aufrüstung, weil man aufgrund des Drucks der Washingtoner Administration den USA entgegenkommen müsse, und zum anderen, weil man sich auf die Vereinigten Staaten als unsicherer Kantonist nicht mehr wie früher verlassen könne.

Mit Blick auf das „Zwei-Prozent-Ziel“ der Nato-Mitgliedsstaaten, d.h. bis 2024 Militärausgaben im Umfang von Zwei-Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsproduktes vorzuweisen, erklärte Nato-Generalssekretär Stoltenberg in der belgischen Hauptstadt zufrieden: „Heute haben wir beschlossen, jährliche nationale Pläne zu entwickeln, die angeben, wie Verbündete gedenken, ihre Zusagen hinsichtlich der Verteidigungsinvestitionen zu erfüllen, die wir alle 2014 gemacht haben.“(4)

Dieser Beschluss soll die Mitgliedstaaten unter Druck setzen, damit sie ihren Zusagen auch Taten – also erhöhte Militärausgaben – folgen lassen. Zum Ende jedes Jahres sollen sie in nationalen Berichten darlegen, wie sie die Ziele in dem jeweiligen Folgejahr zu erreichen gedenken. Dabei geht es nicht nur um die zwei Prozent, sondern um die drei C: „Cash, Capabilities, Contributions“ – also darum, wie viel Geld in Verteidigung fließt, über welche Fähigkeiten das jeweilige Militär verfügt und was es zu Missionen und Aufgaben der Nato beiträgt. Auf der jeweils im Februar stattfindenden Tagung der Nato-Verteidigungsminister soll über Fortschritte diskutiert werden.

„Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in die eigene Hand nehmen“, sagte Kanzlerin Angela Merkel in ihrer Bierzeltrede in München-Trudering mit Blick auf die desaströse Bündnis-politik des US-Präsidenten. Bei einer solchen Vorlage konnte EU-Kommissionchef Jean-Claude Juncker, der schon seit Jahren für einen massiven Ausbau des EU-Militärapparates trommelt, nicht zurückstehen und legte in seiner Rede auf der „Defence and Security Conference“ Anfang Juni in Prag nach: „In den letzten Jahrzehnten gab es kein überzeugenderes Bündel sicherheits-politischer Herausforderungen, wirtschaftlicher Realitäten und politischer Argumente, die weitreichendere Schritte im Bereich der europäischen Verteidigung gerechtfertigt hätten.“

Ohne Militär sei die EU wie „ein halb gebautes Haus“. Um den „Hausbau“, sprich die Militarisierung des Staatenbundes voranzutreiben, veröffentlichte die EU-Kommission ein neues „Reflexionspapier“. Es soll als Grundlage für die Debatte über die „Zukunft der Europäischen Verteidigung“ auf dem EU-Gipfel am 22./23. Juni dienen. Künftig sollen jährlich 1,5 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt für die Rüstungsforschung und -entwicklung bereitgestellt werden; die Gelder sollen als Anreiz dienen, die Rüstungsindustrie EU-weit stärker als bisher zu verschmelzen. Darüber hinaus stellt die Kommission drei Szenarien für die Militärpolitik zur Debatte, die auf „strategische Autonomie“ zielen und es der EU auf lange Sicht ermöglichen sollen, nicht nur „an der Seite ihrer Hauptverbündeten“, sondern bei Bedarf auch „allein zu handeln“.

Das „Reflexionspapier“ ist nur eine weitere Etappe im EU-Militärpolitikprozess, der sich nach dem Brexit beschleunigt hat. Unmittelbar nach dem britischen Referendum veröffentlichte die EU eine Globalstrategie, die den neuen Referenzrahmen für die künftige Außen- und Militärpolitik der Union absteckt. Im März 2017 beim 60. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge hatten die EU-27 – ohne Großbritannien – wurde in der „Erklärung von Rom“. als gemeinsames Ziel definiert, die Union binnen zehn Jahren so weiter zu entwickeln, dass sie „willens und in der Lage“ ist, „eine entscheidende Rolle in der Welt zu spielen“. Dazu müsse sie sich auch offen zur Stärkung der gemeinsamen Sicherheit und Verteidigung bekennen

Absehbar ist, dass sich das EU-Parlament mit großer Mehrheit hinter die Militarisierungspläne der Kommission stellen wird. Dabei können sich die konservativen Parlamentarier auf Berlin verlassen. Man müsse „den Schwung jetzt nutzen“, um „die nächsten Meilensteine“ im zweiten Halbjahr 2017 „mit Leben zu füllen, schwadronierte die oberste bundesdeutsche Heerführerin Ursula von der Leyen

Offen ist allerdings, ob nicht bei einzelnen Mitgliedsländern starke Vorbehalte gegen einen verstärkten Einstieg der EU-Kommission in Rüstungsfragen bestehen, da dies Sache der Staaten und damit nationale Angelegenheiten sind. Zumal eine umfassende Verteidigungsunion faktisch eine Art „Zweit“-NATO darstellen würde. Vermutlich ist davon auszugehen, dass sich die Kommission und die Staaten zumindest auf einen Rüstungsfonds als – etwas – kleineren gemeinsamen Nenner einigen werden, denn dafür gibt es in jedem Land Profiteure beim Militär und in der Rüstungsindustrie.

Leicht gekürzter Artikel von Otto König, ehemaliger 1. Bevollmächtigter der IG Metall (Hattingen) und Richard Detje, Redakteur der Zeitschrift Sozialismus (Hamburg) in der Zeitschrift Sozialismus Heft Juli /August 2017

Anmerkungen

(1) Der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger entwickelte in seiner Dissertation „A World Restored: Metternich, Castlereagh and Problems of Peace 1812-1822 seine „imperiale Theorie“. These: Die unbedingte Beachtung der Selbstbestimmung der Völker und der Souveränität der Staaten ist keine Garantie für Frieden. Nur eine globale Macht besitzt die materiellen Mittel und die Fähigkeit in Krisenzeiten überall und unverzüglich einzugreifen. Nur so könne der Frieden erzwungen werden.
(2) Die Superbombe des Typs »GBU-43« ist mit einer Explosivkraft von elf Tonnen herkömmlichen Sprengstoffs (TNT) und einer tödlichen Druckwelle mit einem Radius von zirka 1,6 Kilometern die gefährlichste verfügbare nichtatomare Massenvernichtungswaffe.
(3) Die Luftwaffe der Bundeswehr beteiligt sich von der türkischen Luftwaffenbasis Incirlik aus mit Aufklärern des Typs „Tornado“ an den völkerrechtswidrigen Militär-Operationen sowie mit Tankflugzeugen, die die Einsatzzeit verbündeter Kampfflugzeuge über Syrien und dem Irak verlängern. Deutschland stellt für die Awacs-Einsätze rund ein Drittel der Soldaten.
(4) Obwohl es sich bei der Verabredung beim NATO-Gipfel in Wales nur um eine politische Zielsetzung und nicht um einen rechtlich verbindlichen Beschluss handelt, erklärte interessengeleitet Claudia Major von der die Bundesregierung beratenden „Stiftung Wissenschaft und Politik“ im Vorfeld des NATO-Treffens: „Die Nato-Staaten haben 2014 beschlossen, dass sie bis 2024 zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Verteidigung ausgeben wollen.“ (SWP, 18.5.2017)

 

 

                                                                                 

 

 

 

 

 

 

Weitere Artikel

Back to top button
Close