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US-orchestrierter Putschversuch

In Venezuela ist ein von den USA orchestrierter Putschversuch im Gange. Auf der Großkundgebung der Opposition am 23. Januar ernannte sich der rechts-konservative Parlamentspräsident Juan Guaidó zum Interimspräsidenten, um »die Usurpation zu beenden«. Zwei Wochen zuvor, am 10. Januar, hatte Nicolas Maduro vor dem Verfassungsgericht den Eid auf seine zweite, sechsjährige Amtszeit als Präsident Venezuelas abgelegt. (1) Aber wie schon das Wahlergebnis wurde auch dieser Akt weder von der Opposition noch von vielen westlichen Staaten anerkannt. Guaidó: Es habe 2018 keine Wahl gegeben, insofern besetze Maduro »das Land widerrechtlich und regiert als Diktator.«

Nur wenige Minuten nach Guaidós »Selbsternennung« twitterte US-Präsident Donald Trump, er erkenne diesen »offiziell als Interimspräsidenten Venezuelas an«. (2) Selbst das Wall Street Journal, stellt verwundert fest, die schnelle Abfolge der Ereignisse zeige eine »seltene Seite von Mr. Trumps Außenpolitik, eine geplante, genau koordinierte sowie schnell und effizient durchgeführte«. Die Nachrichtenagentur AP berichtete unter Berufung auf Antonio Ledezma, den im Exil lebenden früheren Bürgermeister von Caracas, dass Guaidó bereits Mitte Dezember nach Kolumbien, Brasilien und in die USA gereist sei, um mit seinen Unterstützern die Strategie zu beraten, wie die Regierung von Präsident Maduro im ölreichen Venezuela beseitigt werden kann. Es sind die Machtverschiebungen in Argentinien, Chile und Brasilien, die die rechte Opposition zu einer neuen Kraftprobe mit den Chavisten ermutigt hat.

US-Vizepräsident Mike Pence bestätigte die lange Tradition der Monroe-Doktrin von 1823, den Subkontinent als ihren »Hinterhof« zu betrachten. Tatsächlich wirft die Geschichte der US-Interventionspolitik auf dem südamerikanischen Kontinent lange Schatten. »Alle Optionen sind auf dem Tisch«, erklärte Trump. Er werde das volle Gewicht »der wirtschaftlichen und diplomatischen Macht der Vereinigten Staaten« nutzen, um auf die Wiederherstellung der venezolanischen Demokratie zu drängen«. Ein hochrangiger US-Regierungsvertreter wollte eine militärische Option nicht ausschließen. Dieses Vorgehen ist den Menschen in Lateinamerika nur allzu bekannt. Auch deshalb forderte der demokratische Senator Bernie Sanders die Trump-Regierung auf, die USA sollten nicht im »Regime-Change-Geschäft mitmischen oder Staatsstreiche unterstützen.«

Die »bolivarische Revolution« ist seit dem Sieg 1988 von Hugo Chávez, der die Ölindustrie endgültig verstaatlichte, um Sozialprogramme zu finanzieren, den Angriffen der USA ausgesetzt. Mit Putschversuchen, Sanktionen und dem Aufbau einer von Washington abhängigen Opposition wurde immer wieder versucht, die bolivarische Regierung zu destabilisieren. Jetzt soll mit einer totalen Wirtschaftsblockade mit dem Ziel, den endgültigen Zusammenbruch der Ökonomie in Venezuela zu provozieren, der Regime Change endgültig durchgedrückt werden.

»Wir konzentrieren uns gegenwärtig darauf, das unrechtmäßige Maduro-Regime von den Quellen seiner Einkünfte abzutrennen«, so der Nationale Sicherheitsberater der USA, John Bolton, einer der Falken im Weißen Haus, für den Cuba, Nicaragua und Venezuela eine »Troika der Tyrannei« bilden. Dies erinnert fatal an den Wirtschaftskrieg der USA in den 1970er Jahren gegen den sozialistischen Präsidenten Salvador Allende in Chile.

Beim finanziellen Ausbluten geht es um die für Venezuela wichtigen Ölgeschäfte mit den USA und um Citgo, ein Unternehmen mit dem Hauptsitz in Houston, Texas, das zum venezolanischen Ölkonzern PDVSA gehört und in den USA drei Raffinerien und eine Kette von mehr als 5.000 Tankstellen in 30 Bundesstaaten unterhält. Diese für den venezolanischen Staat wichtigen Einnahmen sollen der Regierung entzogen und den Putschisten übergeben werden. Zudem gab US-Finanzminister Steven Mnuchin bekannt, dass die USA bisher zwischen sieben und elf Milliarden US-Dollar venezolanischen Vermögens eingefroren haben, in erster Linie von PDVSA.

All dies geschieht, während das Land die tiefste Krise seiner Geschichte durchlebt. Das vierte Jahr in Folge hat Venezuela die höchste Inflation der Welt. Laut Econométrica lag sie im gesamten vergangenen Jahr bei 4. 520 und sogar 5.605% bei den Nahrungsmittelpreisen. Darüber hinaus weist das Land ein zweistelliges Haushaltsdefizit, die geringsten internationalen Währungsreserven seit 20 Jahren (weniger als 9,3 Milliarden US-Dollar) und einen schrecklichen Mangel an Gütern und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs wie Nahrungsmittel und Medizinpräparate auf. Der Wert des parallelen Wechselkurses, auf dessen Grundlage fast alle Preise der Wirtschaft festgelegt werden, hat sich im Jahr 2017 um 2.500% erhöht, was der Kaufkraft der Bevölkerung enorm zugesetzt hat. Diese führte u.a. zu einer großen Migrationswelle in die Nachbarländer.

Obwohl die venezolanische Regierung die Sozialausgaben erhöht, Unternehmen verstaatlicht, Maßnahmen zur direkten Umverteilung zugunsten der Ärmsten und enorme Subventionen bei öffentlichen Dienstleistungen bewilligt hat, war der Kern ihrer Wirtschaftspolitik nichts Neues, so Manuel Sutherland, Mitarbeiter des Zentrums für Forschung und Arbeiterbildung (CIFO) in Venezuela. Der Bolivarische Prozess war eher eine Variante der Wirtschaftspolitiken, die sich herleiten aus dem sogenannten Erdölrentismus.

Weder Chávez noch sein Nachfolger Maduro schafften es, Venezuela mit dem Ölgeld zu einer modernen Produktiv- und Bildungsgesellschaft umzuformen, und damit von der totalen Abhängigkeit von der Monokultur Rohstoffverkauf wegzukommen. Entsprechende Versuche kamen in den vergangenen Jahren nicht über Anfänge hinaus, zur Freude der Kaste von Importeuren und Finanziers. (3) Die wirtschaftlichen Probleme, die sich aus dieser Politik ergaben, wurden durch US-Wirtschaftssanktionen noch verschärft.

Die Strategie der venezolanischen Rechten, die Macht im Land ohne Wahlen und ohne Rückendeckung des Volkes, allein gestützt auf die USA und deren Koalition der Willigen in Lateinamerika – allen voran die konservativen Regierungen der Lima-Gruppe wie Argentinien, Brasilien, Chile und Kolumbien – zu übernehmen, war etliche Zeit nicht erfolgreich. Die USA mussten bei ihrem Bemühen, die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) zur Legitimierung der Putschisten zu bewegen, einen Rückschlag einstecken. Trotz starken Drucks gab es innerhalb der OAS keinen Konsens darüber, Juan Guaidó als Präsident für Venezuela anzuerkennen.

Dagegen stellten die »Getreuen« aus der EU – Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Spanien – Maduro das Ultimatum, »binnen acht Tagen Neuwahlen anzukündigen«, ansonsten würden sie Guaidó als Interimspräsidenten anerkennen. Die gesetzte Frist unterstreicht die Sorge, dass das Momentum ihres politischen Schützlings nicht lange anhalten könnte. Zumal es eine Chuzpe sondergleichen ist, einem sich selbst zum Präsidenten erklärenden Politiker Legitimität und Legalität zuzusprechen.

Es gibt jedoch Stimmen, die das abgestimmte Vorgehen von Juan Guaidó und John Bolton, als Verletzung der Souveränität und der Unabhängigkeit Venezuelas und damit als einen Verstoß gegen die Charta der Vereinten Nationen gegen internationale Verträge interpretieren, nach denen sich Länder nicht in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten einzumischen haben. Dazu zählen u.a. Bolivien, El Salvador, Kuba, Mexiko, Nicaragua sowie China und Russland, letztere wohl mehr aus geostrategischen und wirtschaftlichen Gründen, weil sie in Venezuela mit hohen Krediten engagiert sind. Der mexikanische Präsident Andrés M. López Obrador (AMLO) hat sich darüber hinaus als »Brücke des Dialogs« angeboten.

Die Rechnung von Juan Guido ist bisher nicht aufgegangen. Das Militär hat sich bislang hinter die Regierung Maduro gestellt. Die Soldaten würden keinen »gesetzeswidrig selbstproklamierten Präsidenten« akzeptieren, sondern die »Verfassung verteidigen«, erklärte Verteidigungsminister Vladimir Padrino López.

Angesichts der gefährlichen Zuspitzung hat UN-Generalsekretär António Guterres zum Dialog aufgerufen, um einen Konflikt zu vermeiden, der sich zu einer Katastrophe für das Volk in Venezuela entwickeln könnte. Deshalb sei die einzige Lösung eine auf Verhandlungen gründende Einigung. Ein interventionistischer »Regime-Change« nach Art der USA unter Beteiligung von Venezuelas großen Nachbarn Brasilien und Kolumbien hätte nicht nur schwerwiegende Folgewirkungen für Lateinamerika, sondern auch nicht abschätzbare Auswirkungen auf den politischen und wirtschaftlichen Konflikt mit China und Russland.

Da sich die europäischen Staaten zu einem politischen Schaulaufen zur Besänftigung Trumps im »Handelskrieg« entschieden haben, fallen sie als ernsthafte Vermittler aus. Umso mehr ist zu hoffen, dass Mexiko und Uruguay den Rahmen für einen Dialog in Venezuela schaffen, der zu einer friedlichen Lösung führen könnte, die es dem Land und seiner Bevölkerung ermöglichen, endlich aus seiner politischen und wirtschaftlichen Krise herauszukommen.

Artikel von Otto König, ehemaliger 1. Bevollmächtigter der IG Metall (Hattingen) und Richard Detje, Redakteur der Zeitschrift Sozialismus (Hamburg)

Anmerkungen
(1) Vgl. Otto König/Richard Detje: Venezuela – Maduro als Staatspräsident wiedergewählt. Geschwächte Regierung – gespaltene Opposition, SozialismusAktuell.de, 05.05.2018.
(2) Die New York Times hatte im September 2018 über vertrauliche Treffen von Vertretern der Washingtoner Administration mit rebellischen Militärs aus Caracas berichtet, in denen über den Sturz von Maduro diskutiert wurde. Die FAZ schrieb, seit Wochen habe es vertrauliche Gespräche mit der Opposition in Caracas, mit Verbündeten in der Region und mit Außenpolitikern im Kongress gegeben. Auch von Seiten des Kongresses gab es fraktionsübergreifende Unterstützung: Neben Rubio drängte

Foto: Kundgebung zur Verteidigung der venezolanischen Regierung – PSUV

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