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Vietnamesische Gewerkschafter vor Ort

Hanoi – Frankfurt am Main – Sprockhövel/Westfalen: Rund neuntausend Kilometer mussten die 17 Gewerkschafter*innen des „Allgemeinen Bundes der Werktätigen“ (ABW), mit rund sechs Millionen Mitglieder die zweitgrößte Massenorganisation in Vietnam, bewältigen, bevor sie im IG Metall Bildungszentrum Sprockhövel eintrafen. Ihr Lern- und Diskussionsort in den folgenden Tagen und Ausgangspunkt für Abstecher ins Bergische Land und das Ruhrgebiet, um die Theorie mit der Praxis vor Ort zu verbinden.

Die hauptamtlichen Kolleginnen und Kollegen aus dem Norden und Süden von Vietnam, angeführt vom Mai Duc Chinh, Vizepräsident des ABW, sind Teilnehmer*innen einer „Seminarreihe zur Tarifarbeit“. Dieses Seminar wird im Rahmen des gemeinsamen Projektes des ABW, der IG Metall und der Friedrich-Ebert-Stiftung durchgeführt, das sich über den Zeitraum von 2008 bis 2018 erstreckte. Schwerpunkte waren: Ausbildung von hauptamtlichen Tarifsekretären, Aufbau eines Trainer- und Experten-Netzwerkes, Erstellung eines Tarifarchivs sowie die Vorbereitung auf die Durchführung von Tarifverhandlungen in Vietnam.

Die rasanten Transformationsprozesse in der Sozialistischen Republik Vietnam, wie die Umwandlung von der Planwirtschaft, hin zu marktwirtschaftlichen Strukturen, damit einhergehend die Privatisierung von Staatsbetrieben bei gleichzeitig wachsender Zahl ausländischer Unternehmen, stellt die hauptamtlichen Gewerkschafter*innen des Allgemeinen Bundes der Werktätigen vor neue, gewaltige Aufgaben wie beispielsweise das Aushandeln und den Abschluss von Tarifverträgen.

Betriebsbesichtigung bei dormakaba in Ennepetal

So standen die Themen Tarifpolitik, Entgelt- und Eingruppierungsfragen auch im Mittelpunkt der Diskussionen mit ehren- und hauptamtlichen Gewerkschafter*innen der IG Metall Geschäftsstelle Gevelsberg Hattingen. Erste Station ihres Besuches vor Ort war der Türschließer-Spezialist dormakaba in Ennepetal. Hier konnten der Betriebsratsvorsitzende Jörg Kannapin und seine freigestellten Betriebsratskollegen Markus Reiniger, Beate Boehnke und Tommaso die Nunzio sowie der Vertrauenskörperleiter der IG Metall, Florian Budnick, die Kolleginnen und Kollegen aus Vietnam begrüßen.

  Florian Budnick erläutert im Show-Room die dormakaba-Produkte

Florian Budnick erläuterte der Delegation im Show-Room die Produkte des Unternehmens „rund um die Tür“, bevor sie sich anschließend – geführt durch einen Vertreter der Werksleitung – ein eigenes Bild über den Ablauf der Herstellungsprozesse in der Produktion machen konnten. Immer wieder wurden auf dem Rundgang sachkundige Fragen gestellt.

Anschließend standen die Themen Automatisierungsprozesse und Sicherung von Arbeitsplätzen, die Bewertung der Arbeit, die Tätigkeit des Betriebsrates bei Eingruppierungen im Mittelpunkt der Diskussionen mit den betrieblichen IG Metaller*innen. Betriebsratsvorsitzender Kannapin wies darauf hin, dass auch die Themen „Weiterqualifizierung der Beschäftigten“ und „Ausbildung junger Menschen“ Teil der Arbeit des Betriebsrates seien. Und wichtig sei besonders, dass sich die Beschäftigten in der Gewerkschaft organisieren sowie Betriebsrat und IG Metall gut zusammenarbeiten würden.

Der Vizepräsident des ABW, Mai Duc Chinh und die IG Metall-Bevollmächtigte Clarissa Bader im IG Metall-Haus in Gevelsberg

Diskussionen über Tarifpolitik im IG Metall-Haus Gevelsberg

Von Ennepetal ging es nach Gevelsberg: Hier im Haus der IG Metall erläuterte die IG Metall-Bevollmächtigte Clarissa Bader das System der Tarifautonomie in Deutschland und den Prozess wie Branchen-Tarifverträge zwischen IG Metall und Metallarbeitgeberverband zu Stande kommen. Am Beispiel von dormakaba schilderte die hauptamtliche Gewerkschafterin wie es gelungen ist, durch langwierige Auseinandersetzungen Standorte, die nicht tarifgebunden waren, in die Tarifbindung zu bekommen. Eine der wichtigsten Voraussetzungen sei ein hoher, gewerkschaftlicher Organisationgrad der betroffenen Belegschaften.

Information und Diskussion im Gewerkschaftshaus

Dass dies auch in Deutschland nicht immer der Fall sei, berichtete Jennifer Schmidt. Die Gewerkschaftssekretärin schilderte die Vorgehensweise bei der Erschließung neuer Betriebe beispielsweise wie die Kontaktaufnahme zu den Beschäftigten abläuft, die Unterstützung der Gewerkschaft bei der Bildung von neuen Betriebsräten und die Werbung neuer Mitglieder für die IG Metall sowie die Durchführung von Mitgliederversammlungen. An diesen und weiteren Schwerpunkten machte Jennifer Schmidt auch das vielfältige Tätigkeitsprofil von Gewerkschaftssekretärinnen vor Ort deutlich.

Die gezielten Nachfragen der vietnamesischen Kolleginnen und Kollegen zeigten zum einen ihren großen Informationsbedarf und zum anderen die Schwierigkeiten, mit denen sie sich in den Unternehmen in ihrem Land auseinandersetzen müssen. Es war ein interessanter und informativer Tag, so das Resümee der Gewerkschafter*innen und ihrer Begleiter von der FES sowie von Petra Wolfram aus dem IG Metall Bildungszentrum Sprockhövel.

Fotos: IGM G-H

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