
In der Delegiertenversammlung der IG Metall Gevelsberg-Hattingen wurde offensichtlich, dass die Beschäftigten in der Metall- und Stahlindustrie in der Region sorgenvoll in die Zukunft schauen. Die Boomphase, die nun schon seit zehn Jahren andauere, gehe voraussichtlich zu Ende. „Ich halte es jedoch für einen Skandal, wenn Unternehmen schon die kleinste konjunkturelle Delle zum Abbau von Arbeitsplätzen oder zur Tarifabweichung nutzen,“ kritisierte die Erste Bevollmächtigte Clarissa Bader.
Die beiden IG Metall-Bevollmächtigten berichteten im IG Metall-Bildungszentrum Sprockhövel den Delegierten über das „Wegbrechen von Auftragseingängen“ in der Stahlindustrie, so Mathias Hillbrandt und das „Verschieben von Abrufen produzierter Teile“ durch die Automobilkonzerne bei den Zulieferern, wie Clarissa Bader ausführte. In den Betrieben zeichne sich ein „Stimmungswechsel“ ab: Auf der Tagesordnung ständen wieder Anträge der Arbeitgeber auf „Tarifabweichungen“ wie beispielsweise bei Burg Lülling (Volmarstein), der GHV Schmiedetechnik (Ennepetal) und Dieckerhoff Guss (Gevelsberg). Bader: „Statt sich über zukunftsorientierte Produkte Gedanken zu machen, gehen die Geschäftsführungen den phantasielosen Weg, den Kolleginnen und Kollegen in die Tasche zu greifen.“
„Wir müssen uns künftig strategisch anders aufstellen“
„Wir müssen uns künftig strategisch anders auf stellen,“ schlussfolgerte die Gewerkschafterin. Dies sei gerade mit Blick auf die anstehende „Transformation zur Elektromobilität“ sehr wichtig. Besonders die Zulieferer, die Teile für Verbrennungsmotoren produzieren, seien davon betroffen. Der 2. Bevollmächtigte Mathias Hillbrandt erinnerte in diesem Zusammenhang an die #FairWandel-Demo im Ende Juni in Berlin, an der sich rund 250 Kolleginnen und Kollegen aus der Region beteiligt hätten.
Die tiefgreifende Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft werde auch ein beherrschendes Thema des Gewerkschaftstags der IG Metall Anfang Oktober in Nürnberg werden. Das Thema ziehe sich wie ein roter Faden durch die Entschließungen, Leitanträge und Anträge. So werde die Entschließung 2 »Gesellschaftspolitik« zum Beispiel mit der Feststellung eingeleitet, „wir stehen am Beginn einer neuen Epoche industriellen Wirtschaftens. Die Industrie von morgen muss ökologisch nachhaltig sein. Das verändert, was wir produzieren und wie wir es produzieren“.
Arbeitgeber wollen die Konjunkturdelle für „moderaten Tarifanschluss“ nutzen
Die Metallarbeitgeber versuchen mit Blick auf die Metalltarifrunde 2020 die konjunkturelle Abschwächung zu nutzen, um „Weichen für moderate Tarifabschlüsse zu stellen“, erklärte Clarissa Bader. Dabei würde in der Tarifkommission erst in den kommenden Tagen die Diskussion über eine mögliche Forderungsstruktur beginnen, schließlich laufe der gültige Tarifvertrag noch bis Ende März 2020. Fest stehe auf jeden Fall, dass sich vor dem Hintergrund der konjunkturellen Entwicklung und der Versuche der Unternehmen, die Kosten der notwendigen Investitionen für die Transformation und Digitalisierung auf die Beschäftigten abzuwälzen, die Verteilungskonflikte verschärfen werden.
Projekt: Geschäftsstelle „Ennepe-Ruhr-Wupper“
Die beiden Bevollmächtigten gaben einen Überblick über den Stand und die weiteren Schritte zum regionalen Zusammenschluss der drei Geschäftsstellen Gevelsberg-Hattingen, Witten und Wuppertal. Clarissa Bader berichtete über den Durchbruch bei den Gesprächen mit der Bezirksleitung NRW und der Vorstandsverwaltung in Frankfurt über die finanziellen Rahmenbedingungen der künftigen gemeinsamen Geschäftsstelle. Gesichert sei, dass mit der derzeitigen Zahl der politischen Sekretäre auch künftig die Arbeit geleistet werden könne. „Schließlich wollen wir die Betreuung der Funktionär*innen aus- und nicht abbauen,“ so die Erste Bevollmächtigte.
Zu den offenen Punkten gehören noch unter anderem der Name der künftigen Geschäftsstelle und deren zentraler Sitz. In der im Dezember gemeinsam stattfindenden Delegiertenversammlung soll sowohl die Empfehlung an den IG Metall Vorstand zum Zusammenschluss, als auch das neue Ortsstatut beschlossen werden. Auf dessen Basis sollen Anfang 2020 die Wahlen zur neuen Delegiertenversammlung stattfinden.
In der anschließenden Aussprache wurde der positive Verlauf des Prozesses hervorgehoben und das Gesprächsergebnis über die „Finanzstruktur“ gelobt. Weitere Themen der Debatte waren der Umgang mit rechten AfD-Funktionären, die E-Mobilität und die Aktivitäten der Fridays for Future-Bewegung, die auch in der hiesigen Region am 20. September viele Menschen für den Kilmaschutz mobilisieren konnte.
Fotos: IGM-GH