
Sprockhövel. Einstimmig votierten die Mitglieder der Großen Tarifkommission für das Verhandlungsergebnis das auch in Nordrhein-Westfalen erzielt worden ist. IG Metall und Metallarbeitgeber haben den in Baden-Württemberg vereinbarten Pilotabschluss auf NRW übertragen und damit die Metalltarifrunde 2018 beendet. Für Gerd Starosta, Betriebsratsvorsitzender der O&K Antriebstechnik (Hattingen), steht fest: „Unsere Warnstreiks haben sich gelohnt. Nur durch den Druck aus den Betrieben konnte dieses Ergebnis erreicht werden.“
Nach dem Verhandlungsergebnis, das in Düsseldorf erzielt wurde, erhalten die rund 700 000 Beschäftigten in der nordrhein-westfälischen Metall- und Elektroindustrie ab 1. April 4,3 Prozent mehr Geld. Für die Monate Januar und Februar wird die Entgelttabelle fortgeführt, im März gibt es eine Einmalzahlung von 100 Euro (Auszubildende 70 Euro). Im Juli 2019 bekommt jeder Beschäftigte ein tarifliches Zusatzgeld (T-Zug A) in Höhe von 27,5 Prozent des individuellen Monatsgehalts und einen Festbetrag von 400 Euro (Auszubildende 200 Euro).
„Guter materieller Tarifabschluss“
Ab Juli 2020 werden die 400 Euro in ein tarifliches „zusätzliches Zusatzgeld“ (T-ZUG B), d.h. in einen 12,3 prozentigen Einmalbetrag bezogen auf die Entgeltgruppe 8 bzw. der Ausbildungsvergütung umgewandelt. Beide Elemente sind tarifdynamisch gestaltet, d.h. sie erhöhen sich entsprechend der künftigen Entgelterhöhungen. Die Laufzeit des Tarifvertrages endet am 31. März 2020 „Dieses Ergebnis kann sich wirklich sehen lassen und ist ein gutes Werbeargument für die Mitgliedschaft in der IG Metall“, betont Udo Kuhlmann, Betriebsratsvorsitzender Bharat Forge CDP (Ennepetal).
Der Leiter des WSI-Tarifarchivs Thorsten Schulten kommt nach einer Modellrechnung zum Ergebnis, dass der Abschluss den Beschäftigten sowohl 2018 als auch 2019 Tariferhöhungen von um die 4% pro Jahr beschert. Angesichts der für 2018 prognostizierten Inflationsrate von 1,5 Prozent und einer Produktivität von 1 Prozent wird der verteilungsneutrale Spielraum klar ausgeschöpft. Auch die durch die Festbeträge erreichte überdurchschnittliche Anhebung in den unteren Lohngruppen ist positiv.
„Verkürzte Vollzeit“
Alle Beschäftigten der Branche haben einen individuellen Anspruch auf »verkürzte Vollzeit« (der Begriff ist eine bewusste Abgrenzung zur schon praktizierten Teilzeit in den Betrieben) verknüpft mit einem „Rückkehrrecht in Vollzeitbeschäftigung“. Die Wochenarbeitszeit kann ab 2019 auf bis zu 28 Stunden reduziert werden. Die Verkürzung kann in Stundenschritten bzw. halben und ganzen Tagen und für eine Dauer von 6 bis 24 Monaten erfolgen – Wiederholung ist möglich.
Zum Ausgleich bekommen Unternehmen die Möglichkeit, den Anteil der Beschäftigten, die länger als 35 Stunden und bis zu 40 Wochenstunden arbeiten, auszuweiten. Doch die tarifvertragliche „Regel“-Quote von maximal 18% der Belegschaft, mit denen 40-Stunden-Verträge vereinbart werden könne, bleibt erhalten, und die neue Ausgleichsregelung – die Verrechnung von geringeren Arbeitszeiten einerseits mit längeren andererseits – ändert nicht das schon jetzt geltende betriebliche Arbeitszeitvolumen von 35,9 Stunden pro Beschäftigten. Und schließlich ist die Ausweitung nur auf freiwilliger Basis, also mit Zustimmung des einzelnen Arbeitnehmers möglich. Der Betriebsrat erhält erstmals ein wirksames Widerspruchsrecht, wenn die Quote von 18 Prozent um vier Prozent überschritten wird.
Wahloption »Geld oder freie Tage«,
Für Beschäftigte mit Kindern bis acht Jahren oder pflegebedürftigen Angehörigen sowie Schichtarbeiter*innen, die die »kurze Vollzeit« in Anspruch nehmen, besteht ab 2019 eine Wahloption „Geld oder freie Tage“. Sie können ihr tarifliches Zusatzgeld (T-ZUG) in Höhe von 27,54% ihres individuellen Monatsentgelts umwandeln in sechs freie Tage plus zwei freie Tage, die der Arbeitgeber obendrauf gewähren muss.
Auch eine von der IG Metall-Jugend forcierte Forderung wurde durchgesetzt: Für die Auszubildenden wurden zwei freie Tage für Prüfungsvorbereitungen vereinbart.
Gute Stimmung in der Tarifrunde bei Betriebsratswahlen nutzen
Die IG Metall habe sowohl mit ihrer Forderung nach „Arbeitszeiten, die zum Leben passen“, als auch der großen Kampfbereitschaft ihrer Mitglieder wieder einmal diejenigen Lügen gestraft, „die seit Jahren den Gewerkschaften den Charme von Dinosauriern zuschreiben“, sagt die IG Metall-Bevollmächtigte Clarissa Bader. Der Druck aus den Betrieben von 1,5 Millionen Warnstreikenden und ihre Entschlossenheit bei den erstmals angewandten „24-Stunden-Warnstreiks“ waren die entscheidenden Voraussetzungen für dieses Verhandlungsergebnis. Die gute Stimmung während der Tarifrunde müsse nun bei den im März anstehenden Betriebswahlen genutzt werden, den IG Metall-Kandidat*innen den Rücken zu stärken.
Foto: Metaller*innen haben Grund zur Freude – Foto: Thomas Range