„Was soll an diesem Konzept sinnvoll sein?“

Sprockhövel. „Was soll an diesem Konzept sinnvoll sein?“, fragte ein Beschäftigter aus dem Bereich Design mit Nachdruck die Geschäftsführung. Er meinte das Vorhaben des Konzerns den Standort Sprockhövel plattzumachen. Prokurist Helmut Bendig, der den urlaubenden Geschäftsführer Bauer vertrat, versuchte eine Antwort, doch die war ohne inhaltliche Substanz. Die hätten „in den USA die Stilllegung entschieden“, die hätten ja den „weltweiten Blick“, also werde das „so gemacht“. Besser hätte Bentig seine Rolle als „Konzernsoldat“ nicht beschreiben können.
Zuvor hatten Nicole Neumann-Cosel und Burkhard Berg von der Project Consult (Essen) den Avery Dennison Beschäftigten in der Betriebsversammlung ein „Zwischenfazit ihrer Prüf- und Untersuchungstätigkeit“ vorgetragen. Das Urteil der beiden Berater ist eindeutig: „Die wirtschaftliche Lage des Etikettenherstellers in Sprockhövel begründet kein Schließungsszenario.“
Zwar sei der Bereich „Sourcing“ schon über mehrere Jahre verlustbehaftet, verursacht durch hohe Verwaltungs- und Vertriebskosten sowie Kostenbelastungen des Konzerns, was den Betriebsratsvorsitzenden Dirk Kolwe zu der bitteren Bemerkungen veranlasste: „Wir müssen ja jeden neuen US-amerikanischen Vice-Präsident mitfinanzieren.“
Die „strategischen Entscheidungen“ seien marginal, im Vordergrund ständen ganz klar „Kosten-, Auslastungs- und Prozessoptimierungen im AD-Konzern zu Lasten des Standortes Sprockhövel. Weder werden die Risiken des Stilllegungskonzept des Arbeitgebers benannt noch bewertet, wie Knowhow-Verlust, Potenzielle Kundenverluste, Umsetzungs-/Verlagerungsrisiken bzw. erhöhtes Abstimmungsprocedere durch Prozessveränderungen, so Burkhard Berg.
Risiken im täglichen Geschäft, die Kolleginnen in der Praxis mit der Qualität ihrer Arbeit, ihrer Leistung und unermüdlichem Kundenmanagement ausbügelten, wie in der Debatte im Bildungszentrum Sprockhövel zur Sprache kam. Dagegen hätte die Geschäftsführung keine eigenen Alternativen für den Standort Sprockhövel geprüft, sondern die Konzern-Entscheidung einfach hingenommen, also kein bisschen „Local-Spirit“ gezeigt
Was Personal-Chef Bendig mit der unpassenden Bemerkung erneut bestätigte: „Ich verstehe ja, dass sie emotionalisert sind, doch die Entscheidung könne man mit der „Brille weltweit“ oder der „Brille Sprockhövel“ sehen. Nein, sie haben nichts gegen die Order aus Pasadena vorgebracht, nicht über Alternativen nachgedacht, sondern den Kopf eingezogen und vollstreckt.
In einem Gespräch mit der Geschäftsführung Ende vergangener Woche trugen die PCG-Berater gemeinsam mit dem Betriebsrat die „Ergebnisse der Plausibilitätsprüfung“ sowie erste „Eckpunkte für Alternativen“ zur Stilllegung des Standortes vor. In der Zusammenkunft habe Geschäftsführer Jeremy Bauer zugesagt, die Analyseergebnisse und Alternativvorschläge des Betriebsrates in Ruhe zu prüfen und mit dem internationalen Management zu besprechen.
Für den Fall einer positiven Reaktion des (internationalen) Managements würde sich die Sprockhöveler Geschäftsführung für eine weitere Umsetzung der Alternativen einsetzen. „Wie können wir denn nachprüfen, was die in den USA vortragen und wirklich diskutieren“, fragte skeptisch eine Beschäftigte in der Versammlung.
Dirk Kolwe, der wie IG Metall-Gewerkschaftssekretär Sven Berg eindringlich an das Management appellierte, die Vorschläge der Interessenvertretung einer ernsthaften Prüfung zu unterziehen, forderte die Belegschaft auf, sich an der weiteren Konkretisierung der „vorgelegten Alternativen“ zu beteiligen. Schon die Aktivitäten in den vergangenen vier Monaten – seit per Mail aus Kalifornien die Arbeitsplatzvernichtung verkündet wurde – habe gezeigt: „Gemeinsam sind wir stärker.“
Foto 1: Avery-Dennison-Beschäftigte in der Betriebsversammlung
Foto 2: Betriebsratsvorsitzender Dirk Kolwe bei seiner Ansprache – Fotos: IGM-GH