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Weiter Druck machen!

Entlastungspakete der Bundesregierung reichen nicht aus

Bereits seit Mitte 2021 steigen die Preise und Lebenshaltungskosten in Deutschland deutlich. Im September 2022 lag die Inflationsrate im Vergleich zum Vorjahr laut offizieller Schätzung des statistischen Bundesamtes bei 10 %. Die Gründe für den enormen Preisanstieg sind vielfältig. „Um es gleich vorwegzunehmen: Die Inflation wird nicht etwa durch Tariferhöhungen und höhere Löhne getrieben, sondern hat andere makroökonomische Ursachen“, schreiben Katarina Grabietz und Sebastian Kramer. Unterbrochene Lieferketten – die bereits während der Corona-Krise zum Problem geworden sind – und der sich verschärfende Energie- und Materialmangel sind die Haupttreiber, stellen sie in ihrem Artikel in den Informationen zur Sozialpolitik (SOPO-Info) der IG Metall fest. Inflation sei keinesfalls ein Naturgesetz. Inflation entstehe durch Entscheidungen von Firmen ihre Preise für Güter und Dienstleistungen zu erhöhen. Bei Nahrungsmitteln und Benzinpreisen gebe es zahlreiche Indizien dafür, dass die Preisanstiege nicht nur auf höheren Kosten basieren, sondern Konzerne die Lage bewusst ausnutzen, um durch überhöhte Preise zusätzliche Profite zu generieren.

Sozialer Sprengstoff

Katarina Grabietz und Sebastian Kramer  warnen, dass langanhaltende hohe Inflation enormen sozialen Sprengstoff berge. Das gelte insbesondere dann, wenn die Inflation überwiegend Güter und Dienstleistungen betrifft, die zum alltäglichen Leben benötigt werden und nicht einfach ersetzbar sind. Und genau dies sei in der derzeitigen Situation der Fall. Haushalte mit niedrigen Einkommen tragen daher auch die höchste Inflationsbelastung. Menschen mit höherem Einkommen könnten hohe Preissteigerungen zumindest mittelfristig durch Mehrausgaben kompensieren. Im unteren und mittleren Einkommensbereich führe die Inflation schnell zu spürbarem Konsumverzicht. „Langfristig drohen Wohlstandsverluste, die bis weit in die arbeitnehmerische Mitte hineinreichen können“, schlussfolgern die Autor*innen. Im Niedriglohnsektor und bei Empfänger*innen von Grundsicherung, die am Rande der Armutsgrenze leben, sind weitere Einsparungen hingegen kaum noch möglich. Die Folge: Verschuldung und zunehmende Verarmung drohen. Ohne geeignete Gegenmaßnahmen führe Inflation zu einer Zunahme von Armut und gesellschaftlicher Spaltung.   

Geplante Entlastungen reichen nicht aus

Seit Februar dieses Jahres hat die Bundesregierung insgesamt drei Maßnahmenpakte beschlossen, die Entlastungen für Haushalte bringen sollen. In ihnen enthalten sind steuerliche Begünstigungen, eine Wohngeldreform, einige wenige Direktzahlungen an Arbeitnehmer*innen, Rentner*innen, Bezieher*innen von Sozialleistungen, aber auch die im Sommer breit diskutierten Maßnahmen des Tankrabatts und des 9-Euro-Tickets.

Die Maßnahmen umfassen unter anderem:

  • Eine Anhebung Arbeitnehmerpauschbetrag auf 1200 €
  • Eine Anhebung des Grundfreibetrags der Einkommenssteuer auf 10.347 €
  • Eine Erhöhung der Pendlerpauschale
  • Eine Energiepreispauschale von 300 € für Erwerbstätige und Rentner und 200 € für Studierende
  • Einen Kinderbonus von 100 €
  • Eine Einmalzahlung für Sozialleistungsempfänger von 200 €
  • Die befristete Einführung des 9-Euro-Tickets (inzwischen ausgelaufen)
  • Den befristeten Tankrabatt (inzwischen ausgelaufen)
  • Einen Heizkostenzuschuss für Wohngeldempfänger
  • Die Möglichkeit zusätzlicher steuer- und abgabenfreier Lohnerhöhungen bis zu 3000 €
  • Eine Strompreisbremse für den Basisverbrauch
  • Eine Gaspreisbremse wurde Ende letzter Woche von der Bundesregierung angekündigt.

„Diese hatte die IG Metall frühzeitig gefordert. Allerdings sind noch keine Details bekannt, wie auch bei der Strompreisbremse. Beide Instrumente muss die Bundesregierung jetzt zu Beginn der Heizperiode zügig umsetzen, um schnell für spürbare Entlastungen zu sorgen“, schreiben Katarina Grabietz und Sebastian Kramer.

Da die übrigen in den ersten drei Entlastungspaketen getroffenen Maßnahmen zur Entlastung von Haushalten mit niedrigem und mittleren Einkommen bisher nicht ausreichen. Denn die steuerlichen Erleichterungen, oder die Ausweitung des Wohngeldes, wirken erst ab 2023 und können in diesem Herbst und Winter keine spürbare Entlastung bringen. Die vereinbarten Einmalzahlungen sind bereits jetzt absehbar zu gering, um in der Breite der Bevölkerung einen ausreichenden Effekt zu erzielen. Außerdem sind sie an vielen Stellen zu wenig zielgenau und daher sozial unausgewogen. Besserverdienende profitieren z.B. durch den Abbau der kalten Progression zusätzlich, während die in Aussicht gestellte Erhöhung des Hartz-IV-Regelbedarfs um ca. 50 € nicht ausreicht, um eine bedarfsdeckende Grundsicherung zu schaffen.

Strukturprobleme nicht gelöst

Die Entlastungspakete können zusammen mit der Umsetzung einer Gas- und Strompreisbremse punktuell Linderung verschaffen. Sie lindern jedoch nur Symptome und gehen nicht an die strukturellen Probleme, die nun offen zu Tage treten. Ein mögliches Nachfolgeticket für das 9-Euro-Ticket kann mehr Anreize schaffen, den ÖPNV zu nutzen und mehr Menschen Mobilität ermöglichen, die aber durch Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur flankiert werden muss.

Eine Reform des Wohngeldes kann die Mietbelastung für mehr Menschen lindern, schafft aber nicht mehr bezahlbaren Wohnraum und stoppt nicht die Spekulation mit Wohnraum. Hier zeigt sich einmal mehr, dass die grundlegende Infrastruktur nicht allein dem Markt überlassen werden darf. „Die Politik muss hier in Zukunft stärker regulieren und auch investieren“, fordern die Autor*innen.

Weiter Druck machen!

Die IG Metall hat mit einer Kampagne Druck für spürbare Entlastungen gemacht. Die angekündigte Einführung von Strom- und Gaspreisbremse sind erste Erfolge. Jetzt gilt es, sich in den kommenden Wochen und Monaten für eine schnelle und zielgenau Umsetzung der Maßnahmen einzusetzen und den Druck für weitergehende Strukturreformen aufrecht zu erhalten. Nur so kann die wachsende gesellschaftliche Spaltung in der Krise verhindert werden.

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