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„Wichtig ist der Zusammenhalt“

Vor zehn Jahren traf die Beschäftigten der O&K Antriebstechnik ein „doppelter Hammer“, erinnert sich die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Frauke Nöller: „Da war zum einen die Räumungsklage des Vermieters des Hattinger Werksgeländes gegen die Firma und zum anderen das Vorhaben der italienischen Mutter Carraro den Hattinger Standort auszubluten.“ Wie so oft in den vergangenen 32 Jahren, in denen sie bei O&K tätig sei, hätten sie den Kampf um ihre Arbeitsplätze aufgenommen. Am 25. November hieß es „Sciopero – Streik“! „Wir verbrachten die Nacht auf Campingstühlen und Luftmatratzen im Betriebsratsbüro. An Schlafen war gar nicht zu denken,“ so die langjährige IG Metallerin. Am nächsten Morgen kam die erlösende E-Mail aus Italien: Die Konzernleitung lenkte ein. „Unsere Solidarität war erfolgreich!“

Frauke Nöller wurde 1967 in Bochum geboren; „Tief im Westen / Wo die Sonne verstaubt / Ist es besser / Viel besser, als man glaubt“, heißt es in Herbert Grönemeyers „Bochum-Hymne“ über ihre Stadt, in der sie aufgewachsen ist, aufs Gymnasium ging und als Jugendliche einem etwas ungewöhnlichen Hobby frönte. Sie betätigte sich als „Hundetrainerin“ und bildete Schäferhunde als Wachhunde aus. „Es war Willi, der von der Zeche, der mit der Staublunge, der mein Interesse dafür weckte“, meint Frauke.

Im Jahr 1985 begann sie beim Ersatzteildienst (ED) der Orenstein & Koppel AG in Bochum ihre zweieinhalbjährige Ausbildung zur Bürokauffrau, die sie ein halbes Jahr früher erfolgreich beendete. Fraukes Vater, selbst Gewerkschafter bei der Bogestra, drängte sie, Gewerkschaftsmitglied zu werden, doch ihr Bochumer Betriebsratsvorsitzender war mit allem anderen beschäftigt nur nicht mit Mitgliederwerbung für die IG Metall. Nach Abschluss der Ausbildung 1987 gab es für die Ausgelernten beim ED keinen Arbeitsplatz, also wurden sie ins Hattinger Werk versetzt.

„Der damalige Betriebsratsvorsitzende Lothar Brennecke der O&K Antriebstechnik suchte eine Sekretärin fürs Betriebsratsbüro“, erzählt Frauke. Zuvor sei der Hattinger Standort der O&K AG aufgeteilt worden in die Antriebstechnik und die Rolltreppe, in die der finnische Konzern KONE einstieg und später ganz übernahm. Die Folge waren zwei Belegschaften, zwei Betriebsräte und zwei Betriebsratsbüro auf dem Werksgelände an der Nierenhoferstrasse.

Frauke nahm ihre Tätigkeit für den Betriebsrat in der Antriebstechnik auf: zunächst vier Stunden im Betriebsratsbüro und vier Stunden in der Qualitätsstelle und mit der Zeit ganz für die Interessenvertretung. Hier wurde sie Mitglied der IG Metall. So war das und ist es noch heute üblich, in dem traditionsreichen Werk an der Ruhr, denn nur so lässt sich Druck erzeugen und „das mussten wir fast immer seit ich in Hattingen arbeite“, entfährt ihr wie selbstverständlich.

„Die Geschäftsführer gaben sich die Klinke in die Hand“

„Wir erlebten in den 1980er und 1990er Jahren ein Restrukturierungsprogramm nach dem anderen. Die Geschäftsführer gaben sich die Klinke in die Hand“, berichtet Frauke, „jeder hatte neue Vorstellungen zur Umstrukturierung des Werkes mitgebracht; und jedes Mal habe es geheißen: jetzt werden wir durchstarten“. Doch die Dombrowskis, van der Kolks, Wevertengels, Müllers und wie sie alle hießen, hinterließen „keine vorwärtsweisenden Strategien, doch jedes Mal eine geringere Beschäftigtenzahl“.  Auch wenn es dem Betriebsrat mit Hilfe der IG Metall gelungen sei, in Interessenausgleichen festzuschreiben, dass der Standort erhalten bleibt und es keine betriebsbedingten Kündigungen gibt, wurde der Standort immer kleiner. Ende der 1990er Jahre kam es schließlich zum Ausverkauf der Orenstein & Koppel AG.

Im Jahr 2000 begann an der Nierenhoferstrasse das „italienische Zeitalter“, der italienische Konzern Carraro SpA schluckte die O&K Antriebstechik in Hattingen. „Doch die Ruhe nach dem Verkauf an die Italiener hielt nicht lange an“, so Frauke, die zwischenzeitlich für die Betriebsratsvorsitzenden Norbert Hogrebe und Konrad Aufderstroth tätig war und teilweise in der Warenannahme arbeitete. Erneut sollten von den noch 270 Beschäftigten 120 gehen. „Wir übten eine neue Protestform: Eine mehrtägige Betriebsversammlung“, schildert Frauke den damaligen Widerstand. Schließlich sei es gelungen 188 Arbeits- und Ausbildungsplätze festzuschreiben.

Es war die neu ins Betriebsverfassungsgesetz eingefügte „Frauenquote“, die die Männer im Gremien veranlasste, die Bitte auszusprechen, „ich solle doch für den Betriebsrat kandidieren“, erinnert sich Frauke. Die IG Metallerin kandidierte und wurde gewählt, und das ohne die „Quote“ zu benötigen, „darauf war ich besonders stolz“, sagt sie lächelnd und fügt hinzu: „Gemeinsam mit Bärbel Schmidt haben wir die jahrzehntelange Männerdomäne aufgebrochen.“ Bei der Betriebsratswahl Jahr 2010, nachdem Norbert Hogrebe wegen Krankheit ausscheiden musste, wählten die neu gewählten Betriebsratsmitglieder Gerd Starosta zu ihrem Vorsitzenden und Frauke Nöller zur Stellvertreterin.

Morgens um 6 Uhr beim Streikbeginn an der Nierenhoferstrasse (Foto IGM GH)

„Sciopero – Streik!“

„Zu diesem Zeitpunkt lag ein harter Kampf um den Erhalt unserer Arbeitsplätze hinter uns“, weist Frauke auf die Auseinandersetzungen um die Räumungsklage und den Konzernplan hin, Hattingen radikal herunter zu fahren. „Wieder wehrten wir uns“! Betriebsratsmitglieder und IG Metall-Vertrauensleute entwickelten mit Unterstützung der Kollegen von INFO-Institut eine Alternative „die flexible O&K Antriebstechnik“ zum Arbeitsplatzvernichtungskonzept des Konzerns. „Kämpfen statt resignieren“, hieß unser Motto. „Und am 25. November zeigten wir den Italienern in Padua, dass man so nicht mit uns umgeht“, schildert Frauke den Beginn des 24-stündigen Streiks aller Beschäftigten. Keiner habe den Geschäftsführer zur Kenntnis genommen, der vom „wilden Streik“ brabbelte.

„Weißt du“, sagt Frauke zu mir, „es war immer der Zusammenhalt im Gremium und bei den Vertrauensleuten, aber auch in der Belegschaft, der so wichtig war, in den ganzen Jahren. Und nicht zu vergessen die Unterstützung unserer Gewerkschaft in den vielfältigen Auseinandersetzungen.“ Nach 28 Wochen Kampf gegen die Räumungsklage, die drohende Produktionsverlagerung und Stellenabbau wurde ein Interessenausgleich unterzeichnet, in dem es hieß, Hattingen werde zu einem „globalen Kompetenzzentrum für Getriebe“ im Konzern ausgebaut.

Fast zehn Jahre später: „Heute sind 127 Kolleginnen und Kollegen an der Ruhrallee auf dem ehemaligen Gelände der Henrichshütte tätig“, stellt Frauke mit Genugtuung fest. Der neue Besitzer heiße nun Bonfiogli. Doch an der Türe stehe nach wie vor: O&K Antriebstechnik – und das müsse möglichst lange so bleiben.

Foto: Frauke Nöller und Gerd Starosta im Betriebsratsbüro an der Ruhrallee in Hattingen – IGM GH

 

 

 

 

 

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