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Wie halten sie es mit der Mitbestimmung?

Bundestagswahl: Vorschläge der Parteien zum Thema Mitbestimmung und Betriebsräte

Beim Lotto heißt es, nur wer mitspielt, kann gewinnen. Umgemünzt auf die Bundestagswahl am 26. September, könnte dieser Slogan heißen: »Nur wer wählt, kann mitbestimmen.« Um die Entscheidung an der Wahlurne leichter zu machen, stellen wir in den nächsten Wochen vor, was die Parteien in ihren Wahlprogrammen zu Themen aussagen, die besonders für die abhängig Beschäftigten wichtig sind. Heute: Was sagen die im Bundestag vertretenen Parteien zum Thema Mitbestimmung in Aufsichtsräten und Betriebsräten aus.

SPD: Mitbestimmung und Betriebsräte stärken

Die SPD legt in ihrem Wahlprogramm ein klares Bekenntnis zu mehr Teilhabe der Beschäftigten ab: „Der Erfolg der Unternehmen wird von ihren Beschäftigten erarbeitet“ (…) „Deshalb verbessern wir deren Mitbestimmung“ ist im Wahlprogramm zu lesen. Betriebsräte sollen gestärkt – durch Mitbestimmungsrechte bei der Beschäftigungssicherung und Betriebsschließungen oder Verlagerungen, beim Einsatz von Leiharbeit und bei Werkverträgen, beim Einsatz neuer Technik wie der künstlichen Intelligenz, bei der Personalplanung und bei der betrieblichen Weiterbildung. Der Kündigungsschutz für Betriebsräte soll ausgeweitet, Union Busting-Methoden zur Verhinderung von Betriebsräten sollen mit Schwerpunktstaatsanwaltschaften bekämpft werden. Europäische Betriebsräte sollen gestärkt werden.

Gewerkschaften sollen ein digitales Zugangsrecht zum „virtuellen“ Betrieb erhalten. Die Sozialdemokrat*innen planen, ein Verbandsklagerecht der Gewerkschaften einzuführen.

Zur Bildung von Aufsichtsräten sollen die Schwellenwerte der Unternehmensgrößen abgesenkt und der Geltungsbereich der Mitbestimmung erweitert werden. Stiftungen sollen in den Geltungsbereich des Mitbestimmungsgesetzes und des Drittelbeteiligungsgesetzes aufgenommen werden. Die Mitbestimmung würde zudem auf Unternehmen in ausländischer Rechtsform ausgeweitet. Die Arbeitnehmer*innenbank im Aufsichtsrat  soll mehr Einfluss bekommen: „Entscheidungen zur Verlagerung oder Schließungen von Betriebsstandorten sollen nicht über die Köpfe der Beschäftigten hinweg getroffen werden. Darum stärken wir durch eine echte Parität in den Aufsichtsräten den Einfluss der Arbeitnehmer.“ Wie bei der Montanmitbestimmung soll nach den Vorstellungen der SPD im Geltungsbereich des Mitbestimmungsgesetzes die Position des Personalvorstands nicht gegen den Willen der Arbeitnehmer*innenseite im Aufsichtsrat bestellt werden können.

Die LiNKE: Zwingende Mitbestimmungsrechte erweitern

Die Linke fordert: Betriebsräte sollen zwingende Mitbestimmungsrechte bei Betriebsschließungen und Verlagerungen, Standortänderungen und Entlassungen sowie beim Arbeits-, Gesundheits- und Umweltschutz bekommen, aber auch bei den Arbeitsbedingungen und der Arbeitsintensität. Die Linke will den juristischen Betriebs- und Arbeitnehmer*innenbegriff ausweiten, beispielsweise auf Crowdworker. Belegschaften sollen zwei Stunden Beratungszeit monatlich erhalten, unter anderem, um „Initiativen zur Mitbestimmung“ entwickeln zu können.

Betriebsratswahlen sollen erleichtert und ein zentrales Melderegister für diese Wahlen eingerichtet werden. Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Straftatbestände aus dem Betriebsverfassungsrecht sollen installiert und die Sanktionen verschärft werden.

Gewerkschaften sollen gestärkt werden – unter anderem mit einem digitalen Zugangsrecht. Darüber hinaus sollen regionale Wirtschafts- und Transformationsräte, in denen „neben der Politik und den Unternehmen auch Gewerkschaften, Umwelt- und Sozialverbände gleichberechtigt Stimmrecht haben“, über öffentliche Fördergelder entscheiden, eingerichtet werden.

In allen privaten, öffentlichen und gemeinwirtschaftlichen Unternehmen ab 500 Beschäftigten fordert die Linke eine echte paritätische Mitbestimmung. Den Vorsitz im Aufsichtsrat soll eine weitere Person übernehmen, auf die sich beide Seiten verständigen müssen.

GRÜNE: Starke Mitbestimmung gefordert

Ein Blick ins Wahlprogramm Der Grünen zeigt: Starke Mitbestimmung soll „wieder für mehr anstatt für immer weniger Beschäftigte und Betriebe gelten“. Mehr Schutz und mehr Mitbestimmungsrechte für Betriebsräte, etwa bei Standortverlagerungen und bei der Personalentwicklung, sowie Online-Betriebsratswahlen stehen auf der Wahlagenda.

Die Öko-Partei plädiert außerdem für ein Verbandsklagerecht der Gewerkschaften „weil es oft schwierig ist, sich als einzelne/r Arbeitnehmer/in zu wehren“.

Der schleichenden Erosion der Unternehmensmitbestimmung soll Einhalt geboten werden. Nach den Vorstellungen der Grünen soll die Mitbestimmung im Aufsichtsrat künftig auch für unternehmerisch arbeitende Stiftungen sowie für Unternehmen mit ausländischen Rechtsformen uneingeschränkt gelten. Das Schlupfloch soll geschlossen werden, mit dem Unternehmen wie Tönnies, Dussmann oder Zalando die Mitbestimmung aushebeln: Eine Aufspaltung großer Unternehmen in eine Holding und Töchter mit jeweils unter 500 Beschäftigten, die nicht über formale „Beherrschungsverträge“ verbunden sind, soll nicht mehr erlaubt sein.

Bereits ab 1000 Beschäftigten soll der Aufsichtsrat paritätisch besetzt sein. Wirken sich Entscheidungen des Gremiums „besonders stark auf die Beschäftigten aus“, soll bei einem Abstimmungspatt ein Schlichtungsverfahren eingeleitet werden, heißt es im Wahlprogramm.

CDU/SU: Weiter so!

Arbeitnehmer*innen sollen „auf eine verlässliche Mitbestimmung setzen können“ und „möglichst viele Beschäftigte durch Betriebs- und Personalräte vertreten werden“, heißt es im Wahlprogramm der Unions-Parteien. Eine unionsgeführte Regierung will auch „in einer digitalen Arbeitswelt unsere Mitbestimmungskultur erhalten und Mitbestimmungsrechte sichern“. Wie das geschehen soll, ist jedoch nicht dem Programm zu entnehmen.

Genauso wenig finden sich konkrete Vorschläge zur Eindämmung der immer mehr grassierenden Mitbestimmungsvermeidung und -aushöhlung von Aufsichtsräten durch die Gründung von Stiftungskonstruktionen oder Kapitalgesellschaften europäischen Rechts. Also, weiter so, bei der Umgehung des Mitbestimmungsgesetzes 76.

FDP: Mitbestimmung und Betriebsräte kommen nicht vor

„Nie gab es mehr zu tun“ lautet der Leitspruch des Wahlprogramms der FDP. Die Mitbestimmung kann damit nicht gemeint sein. Wie schon 2013 und 2017 taucht das Wort in dem Papier der Liberalen nicht ein einziges Mal auf. Gleiches gilt für „Betriebsräte“. Die Ursache liegt auf der Hand: Ein großer Teil ihrer potenziellen Wähler*innen ist traditionell im Arbeitgeberlager verortet. Immerhin rang sich die „Drei-Punkte-Partei“ im Mai bei den Beratungen zum Betriebsrätemodernisierungsgesetz das Bekenntnis ab, die betriebliche Mitbestimmung sei „seit 100 Jahren eine der tragenden Säulen der Arbeitsmarktordnung in Deutschland“.

AFD: „Massiver Eingriff in Weisungsrecht, Vertragsfreiheit und unternehmerische Freiheit“

An einer Stelle in ihrem Wahlprogramm bekennt sich die AfD „zur Mitwirkung und Mitbestimmung der Beschäftigten in den Betrieben und zu allgemeinverbindlichen Tarifverträgen“, zur Mitbestimmung im Aufsichtsrat macht die  völkisch-nationalistische Partei jedoch keinerlei konkrete Vorschläge. Auch das Wort Betriebsrat sucht man im Wahlprogramm vergeblich. Kein Wunder: Im Bundestag stimmten die Rechten beispielsweise gegen das Betriebsrätemodernisierungsgesetz. Das Gesetz sei „ein massiver Eingriff in Weisungsrecht, Vertragsfreiheit und unternehmerische Freiheit“. Besser hätten es die Vertreter*innen von BDI, BDA und Gesamtmetall nicht formulieren können.

Eine Stelle im Wahlprogramm zeigt deutlich die Verachtung für alles, was links oder emanzipatorisch ist: „Forderungen nach Enteignungen, Abschaffung von Privateigentum und Vertragsfreiheit, hetzerische Klassenkampfrhetorik oder vorsätzlich herbeigeführte Konflikte durch Vertreter linker Parteien lehnen wir (…) entschieden ab.“ DGB-Gewerkschaften werden von der AfD als „Teil des Systems“ oder „Arbeitnehmerverräter“ diffamiert.  „Die alten Kräfte, (…) auch die Gewerkschaften (…), lösen unser liebes deutsches Vaterland auf wie ein Stück Seife unter einem lauwarmen Wasserstrahl“, hetzte der rechtsradikale Björn Höcke, Fraktionsvorsitzender der AfD im Thüringer Landtag. Stattdessen werben die Rechten für „alternative“ Arbeitnehmervertretungen.

(Unter Verwendung eines Textes  von Kay Meiners und Andreas Molitor im DGB Magazin „Mitbestimmung“ 4/2021)

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