
Mitglieder der Delegiertenversammlung Ennepe-Ruhr-Wupper tagen virtuell
Gevelsberg/Wuppertal/Witten. Corona-bedingt hatten sich die Delegierten der IG Metall Ennepe-Ruhr-Wupper zum zweiten Mal per Zoom der Versammlung zugeschaltet. Technisch und organisatorisch überhaupt kein Problem; Das zeigte sich sowohl bei der Entlastung des Ortsvorstandes als auch bei der Nachwahl des Bharat Forge CDP-Betriebsratsvorsitzenden Andreas Steinke in den Ortsvorstand und die IGM-Tarifkommission M+E. Der Nachfolger des leider zu früh verstorbenen Kollegen Udo Kuhlmann erhielt 108 Ja-Stimmen. Was jedoch fehlte ist die Atmosphäre, die Stimmung im Saal – die Reaktionen, der Beifall. Das persönliche Gespräch am Rande.
„Es ist der Mix aus Wirtschafts- und Coronakrise sowie Strukturwandel, der uns alle vor zunehmende Herausforderungen stellt“, sagte Clarissa Bader. Das zeige sich an der Zahl der betrieblichen Konflikte. „Hinzu kommen drohende Standortschließungen wie bei Schaeffler in Wuppertal“, erläuterte die Erste Bevollmächtigte in ihrem Tätigkeitsbericht. Hier soll ein gesunder und profitabler Standort geschlossen werden, einzig und alleine zur Profitmaximierung. Dagegen setzten sich die Beschäftigten seit Wochen mit vielfältigen Aktionen zur Wehr wie zuletzt mit einem Autokorso durch Wuppertal.
IG Metall startete „Initiative Mitbestimmung“
Nicht nur über Schaeffler berichtete Clarissa Bader, sondern auch über die geplante Schließung der Produktion und die Verhandlung eines abweichenden Tarifvertrages des Automobilzulieferers Brose in Wuppertal, die Auseinandersetzung um die Tarifflucht bei der Firma Stüwe in Hattingen sowie die Insolvenz bei KSM in Wuppertal. Der Zweite Bevollmächtigte Mathias Hillbrandt ergänzte, dass es bei Magna Böco in Wuppertal gelungen sei, den Beschluss des Konzerns in Kanada, große Teile der Anlagen und Produktion nach Polen zu verlagern, zu kippen und damit einen Großteil der Arbeitsplätze zu sichern. Das sei ein großer Erfolg für die Magna-Kolleg*innen. Weiterhin gab es ein positives Beispiel bei der Firma Hesterberg, wo eine Standortschließung geplant war es aber gelungen ist in den Verhandlungen den Standort zu erhalten.
Vor diesem Hintergrund hob die Erste Bevollmächtigte die „Initiative Mitbestimmung“ hervor, die die IG Metall auch mit Blick auf die Bundestagswahl im Herbst gestartet habe. „Um Themen wie Outsourcing, Verlagerung der Produktion, Auswirkungen der Digitalisierung und Transformation bewältigen zu können, brauchen Betriebsräte, Mitglieder in Wirtschaftsausschüssen und Arbeitnehmervertreter*innen in Aufsichtsräten mehr Mitbestimmung“, betonte Clarissa Bader. So müsse in der Unternehmensmitbestimmung dringend das „doppelte Stimmrecht“ des Vorsitzenden des Aufsichtsrates abgeschafft werden. Die gewerkschaftliche Kampagne sei auch ein Stoppschild „gegen die Versuche der Arbeitgeber, Mitbestimmungsrechte auszuhebeln“. Sie wollen beispielsweise die Mitbestimmungsrechte in § 87 BetrVG „entbürokratisieren“, die Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten (§99) verschlechtern und den Kündigungsschutz aufweichen. Bader: „Die Initiative wurde auch mit Blick auf die Betriebsratswahlen 2022 gestartet.“
Des Weiteren berichtete die Erste Bevollmächtigte von den Aktivitäten der IG Metall Frauen vor Ort. Neben einem virtuellen Stammtisch haben die Kolleginnen in Kooperation mit dem Bildungszentrum Sprockhövel, der Bezirksleitung NRW und anderen Geschäftsstellen eine tolle digitale Veranstaltung zum 110. Internationalen Frauentag durchgeführt. Neben einem Film an dem 8 Kolleginnen aus der IG Metall Ennepe-Ruhr-Wupper beteiligt waren gab es Kultur mit den Kabarettistinnen von „Suchtpotenzial“. Und es wurden im Vorfeld alle weiblichen IG Metall Mitglieder angeschrieben, besonders gut kam das „Saatgut-Konfetti“ an.
Ein weiteres Schwerpunktthema der IG Metall Geschäftsstelle sind die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten im Homeoffice. Auf Grund der Coronapandemie hat das eine weitaus größere Relevanz bekommen. Die IG Metall Ennepe-Ruhr-Wupper hat einen Arbeitskreis dazu gegründet und eine Befragung gestartet an der sich bereits fast 600 Kolleg*innen beteiligt haben. Das Ziel ist es Betriebsvereinbarungen mit klaren Schutzmechanismen und Regelungen zum Homeoffice zu schließen.
IG Metall auch in der Corona-Krise mobilisierungsfähig
Einen wichtigen Bestandteil der Berichterstattung der beiden Bevollmächtigten nahm natürlich die laufende Tarifbewegung in der Metall- und Elektroindustrie sowie in der Stahlindustrie ein. Während in der Textil- und Bekleidungsindustrie mittlerweile ein zufriedenstellender Tarifabschluss erzielt werden konnte, gibt es in den anderen beiden Branchen keine nennenswerten Entgeltangebote.
„Sie haben wohl angenommen, dass die IG Metall und ihre Mitglieder während der Corona-Pandemie nicht mobilisierungsfähig sind“, sagte Mathias Hillbrandt. Doch auch die Metaller*innen in der Region Ennepe-Ruhr-Wupper hätten beim Tarifauftakt in Sprockhövel und den drei folgenden „Frühschluss-Warnstreiks“ und bei den Kundgebungen in Witten, Gevelsberg und Wuppertal gezeigt, dass sie sehr wohl kampffähig sind. So hätten bei den letzten drei Aktionen in 28 Betrieben rund 6.100 Beschäftigte die Arbeit niedergelegt und seien früher nach Hause gegangen. Da auf den Kundgebungen ausschließlich Delegationen anwesend sein konnten, wurden diese erstmalig auf Facebook livegetsreamt. „Und heute haben noch die Stahlarbeiter*innen bei DEW in Witten ein klares Zeichen für mehr Entgelt und Beschäftigungssicherung an die Stahlarbeitgeber gesandt“, so der Zweite Bevollmächtigte.
„Wir haben mehr verdient“
Auch unter Corona-Bedingungen sei es gelungen mit viel Kreativität Aktionen durchzuführen. Der Vertrauensleuteausschuss drehte einen animierenden Video-Clip. Unter Beteiligung vieler Kolleginnen und Kollegen und dem Liedermacher Simon Sandmann ist der Tarifsong „Wir haben mehr verdient“ entstanden. Er wurde bislang über 15.000 mal auf Facebook und 5.000-mal bei YouTube abgerufen.
Clarissa Bader berichtete aus den Tarifverhandlungen in der Metallindustrie, dass es zwar beim Thema „Zukunfts-Tarifverträge“ arbeitgeberseitig Bewegung gegeben habe, doch der Knackpunkt sei nach wie vor das Entgelt. Mit der Forderung nach einer Nullrunde und der Argumentation, es gebe nichts zu verteilen, habe der Verband seine Mitgliedsunternehmen auf die Bäume getrieben und nun hätten sie das interne Problem sie wieder runterzukriegen. „Die Warnstreiks von bisher rund 700.000 Metaller*innen bundesweit haben anscheinend Wirkung gezeigt“, kommentierte die Gewerkschafterin erste Anzeichen, dass sich „auch beim Entgelt eine Landebahn“ abzeichnen könnte. “