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„Wir sind widerständig und suchen Alternativen“

Alle im Rat der Stadt Sprockhövel vertretenen Parteien mit Bürgermeister Ulli Winkelmann an der Spitze sagten der Belegschaft von Avery Dennison und ihrem Betriebsrat ohne Wenn und Aber ihre solidarische Unterstützung zu. Diese ist auch dringend notwendig: Denn der Betriebsrat des Sprockhöveler Web-Etikettenbetriebs hat sich entschieden: Wir beugen uns nicht der „hire- und fire“- Politik der Konzernspitze im kalifornischen Pasadena.

Die Frauen und Männer um den stellv. Betriebsratsvorsitzenden Dirk Kolwe sind nicht bereit, die weltfremde und betriebswirtschaftliche unsinnige Entscheidung der „US-amerikanischen Coupon-Schneider“ widerstandslos hinzunehmen. Sie wissen, dass sie sich auf ihre Kolleginnen und Kollegen verlassen können. „Was der Belegschaft als Stillegungsplan verkündet wurde, ist mit der heißen Nadel am grünen Tisch gestrickt worden“, sagt Mustapha El Fathi.

Nicht nur Mustapha, sondern alle Beschäftigten müssen sich zum wiederholten Mal in den vergangenen Jahren die sattsam bekannten Sprüche anhören: Kosten müssen reduziert werden, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Prozesse sollen verbessert und die Effizienz gesteigert werden. Die operativen Bereiche müssen von Sprockhövel an Standorte in Rumänien und die Türkei wegen der dortigen niedrigeren Arbeitskosten verlagert werden.

Grund genug für Sabine Henkler und Bairam Altunkaya die „dürftige Konzeption der Geschäftsführung“ ernsthaft zu hinterfragen. Und dies mit qualifizierter Hilfe. Also beauftragte das Betriebsgremium die arbeitnehmernahe Essener Project Consult u.a. mit der Überprüfung der wirtschaftlichen Begründung der geplanten Standort-Schließung. In einem vom Team von Prof. Dr. Klaus Kost moderierten Workshop wurden zum Auftakt die bisher vorliegenden „mageren“ Informationen bewertet und die weitere Vorgehensweise geplant.

Nicht nur für Monika Meres steht dabei das Ziel „Erhalt der Arbeitsplätze und des Standortes“ im Mittelpunkt. Zumal schon die Auswertung erster wirtschaftlicher Daten belegt, „dass der Standort Sprockhövel kein Sanierungsfall ist“, so Burkard Berg von der PCG. Es scheint sich der Verdacht der IG Metaller zu bestätigen, dass mit dem geplanten Kahlschlag auf dem Rücken der Betroffenen und ihrer Familien eine „Gewinn-Maximierung“ betrieben werden soll.

Das unterstreicht auch die Aussage von Geschäftsführer Jeremy Bauer in der Betriebsversammlung: „Bei dieser Entscheidung geht es nicht um schwarze oder rote Zahlen am Standort Sprockhövel.“ „Um so notwendiger ist es“, meint Frank Ourulis, „ dass wir mehr Informationen bekommen.“ So wird ein im Workshop gemeinsam erarbeiteter, detaillierter Fragebogen in den kommenden Tagen der Geschäftsführung zugeleitet. Damit wird die Informationsphase eingeleitet. Bevor diese nicht abgeschlossen ist, können keine Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan aufgenommen werden. Es liegt nun an der „Kooperation“ der Geschäftsführung, wie lange dieser Prozess andauert.

„Unsere Aufgabe als Interessenvertretung der Beschäftigten ist eindeutig: Wir müssen die Beschäftigung sichern“, meint Marco Maas und spricht sich wie seine Betriebsratsmitglieder dafür aus, „alternative Eckpunkte für den Standorterhalt“ auszuarbeiten. Dabei könnten sie sich auf das Wissen und die Kenntnisse ihrer KollegInnen stützen, ergänzt der stellv. Betriebsratsvorsitzende. Das wurde auch durch die gemeinsam vorgenommene „Stärke- und Schwäche-Analyse“ erkennbar. Eine der wichtigsten Stärken ist zweifelsohne die Qualifikation und die Motivation der Beschäftigten, ihre Identifikation mit dem Standort, sowie ihr Einsatz, damit die Kunden nicht verloren gehen.

Eigenschaften, die auf der Geschäftsführungsebene nicht vorzufinden sind. Jeder neue im Handelsregister im vergangenen Jahrzehnt eingetragene Geschäftsführer stand „nicht für Innovation und Weiterentwicklung des Standortes Sprockhövel“, sondern für „Stationen des Kahlschlags“. Leichtfertig wurden Kunden vergrault. „Und das immer auf Kosten der Beschäftigten“, kritisiert der Betriebsrat zu Recht. Sie ließen sich nicht so einfach aus dem Betrieb kegeln, „deshalb sind wir widerständig und suchen gemeinsam nach Alternativen.“

Bei dieser nicht gerade „leichten Aufgabe“ können sie auf den Sachverstand des PCG-Teams und die Unterstützung der IG Metall, sowie des Rechtsanwaltes Lutz Ellinghaus bauen. Eine kompetente Truppe, die alle ihre Schritte abstimmt, um der Geschäftsführung auf gleicher Augenhöhe entgegentreten zu können. Am Ende des Workshops stand für alle fest: Die Arbeit, die jetzt ansteht, lohnt sich. Schließlich geht es nicht um anonyme Zahlen in geschönten Bilanzen, sondern um die Existenz, die Zukunft von Menschen.


Foto: Avery Dennison-Betriebsratsmitglieder und PCG-Berater im IG Metall Haus in Gevelsberg
Foto: IGM-GH

 

 

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