Wirksamer Betriebsratsbeschluss

Rechtstipp: Wichtige Urteile für die Betriebsratsarbeit
Auch im Jahr der Corona-Pandemie haben Arbeitsrichter*innen wichtige Urteile gefällt. Dazu gehört die Entscheidung des Arbeitsgerichts Emden über die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung genauso wie das Urteil des Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg, das die virtuelle Betriebsratssitzung in ihre Grenzen weist.
Betriebsratssitzung kann trotz Corona als Präsenzsitzung stattfinden
Arbeitgeber können Betriebsräte nicht zwingen, aus Gründen des Gesundheitsschutzes in Betrieben jetzt nur noch virtuelle Betriebsratssitzungen durchzuführen. Der neue § 129 BetrVG schafft eine zusätzliche Option für den Betriebsrat, aber keinen Anspruch für den Arbeitgeber. Für geheime Wahlen eignen sich virtuelle Sitzungen nämlich nicht – so das LAG Berlin Brandenburg.
LAG Berlin-Brandenburg v. 24.8.2020 – 12 TaBVGa 1015/20
Arbeitgeber sind zur Arbeitszeiterfassung verpflichtet
Das Thema Arbeitszeiterfassung gewinnt gerade in Zeiten der Corona-Pandemie an Relevanz. Arbeitgeber müssen für eine verlässliche Arbeitszeiterfassung im Homeoffice und für die Kurzarbeitszeiten sorgen. Dazu verpflichtet zwar derzeit noch kein deutsches Arbeitsgesetz, aber der EuGH in einem bahnbrechenden Urteil vom 14.5.2019 (C-55/182019). Das Arbeitsgericht Emden sieht nun – auch ohne deutsches nationales Gesetz – die Arbeitgeber in der Pflicht zur Zeiterfassung. Viele Arbeitsrechtsexpert*innen folgen dieser Linie.
ArbG Emden 20.2.2020 – 2 Ca 94/19
Betriebsrat kann Einsicht in Gehaltslisten nicht erzwingen
Übernimmt der Arbeitgeber selbst die Pflicht nach dem Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG), Anfragen der Arbeitnehmer*innen zu Gehältern der Kollegen zu beantworten, hat der Betriebsrat weder ein Einsichts- noch ein Auswertungsrecht der Bruttoentgeltlisten. Anders ist es, wenn der Arbeitgeber die Beantwortung der Anfragen nicht übernimmt. Dann ist der Betriebsrat in das Verfahren eingebunden und kann Auskunft über die Gehälter verlangen.
Einladung zur Betriebsratssitzung nur durch Betriebsratsvorsitzenden
Für fast jede Handlung des Betriebsrats ist ein wirksamer Betriebsratsbeschluss nötig. So auch für das Ausüben der Mitbestimmung. Ein solcher Beschluss kann nur auf einer Betriebsratssitzung gefasst werden, zu der die oder der Betriebsratsvorsitzende oder dessen Stellvertreter*in mit Tagesordnung eingeladen hat. Ein einfaches Betriebsratsmitglied kann die Sitzung nicht einberufen. Beschlüsse sind unwirksam, wenn sie in derlei fehlerhaft einberufenen Betriebsratssitzungen gefasst werden.
Keine Mitbestimmung bei gewerkschaftlicher Mitgliederwerbung
Arbeitgeber dürfen Gewerkschaften das Verteilen von Informationsmaterial nicht verbieten. Derlei Aktivitäten sind grundrechtlich geschützt. Aber damit entziehen sie sich auch der Regelungsmacht der Arbeitgeber, mit der Folge, dass die Mitbestimmung entfällt. Weswegen Betriebsräte den Gewerkschaften bei Konflikten nicht beispringen können. Die Gewerkschaften müssen ihre Rechte mit den Arbeitgeber*innen vor Ort selbst ausfechten, zur Not gerichtlich.
Duldung von Überstunden geht nicht ohne Betriebsrat
Bei Überstunden muss immer der Betriebsrat mitbestimmen, egal ob die Überstunden explizit vom Arbeitgeber angeordnet oder – was häufig vorkommt – nur geduldet werden. Doch wann liegt Duldung vor? Trifft der Arbeitgeber keine Gegenmaßnahmen gegen Überstunden, ist von deren Hinnahme und damit Duldung auszugehen. Ist der Betriebsrat damit nicht einverstanden, kann er nach § 23 BetrVG dagegen vorgehen und Unterlassung der Duldung verlangen.
Zum Inhalt der Anhörung des Betriebsrats bei Kündigungen
Die Arbeitgeber*innen müssen den Betriebsrat vor jeder Kündigung anhören und ihn umfassend über die Gründe der Kündigung unterrichten. Dabei brauchen die Arbeitgeber*innen allerdings weder Angaben zum Sonderkündigungsschutz des/der gekündigten Arbeitnehmers*in noch zur Kündigungserklärungsfrist zu machen.
Abmahnungen von Betriebsratsmitgliedern nicht in Personalakte
Arbeitgeber dürfen Betriebsratsmitglieder rügen und ihnen auch Sanktionen androhen, wenn sie ihr Amt nicht pflichtgemäß ausüben. In die Personalakte gehören derlei Vorgänge keinesfalls. Denn es gibt einen Unterschied zwischen betriebsverfassungs- und arbeitsrechtlichen Pflichtverletzungen. Was mit der Amtsausübung als Betriebsrat zu tun hat, gehört niemals in die Personalakte.
LAG Baden-Württemberg 3.7.2020 – 8 TaBV 3/19
Bezahlung von Betriebsratsmitgliedern
Ein eigenes extra Gehalt gibt es für das Betriebsratsmandat bekanntlich nicht. Vielmehr wird das Gehalt der beruflichen Tätigkeit weitergezahlt. Entscheidend ist immer das Gehalt vergleichbarer Kolleg*innen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Vergleichbarkeit ist die Amtsübernahme, nicht die Freistellung. Im Zweifel müssen Betriebsräte die Vergütungsdifferenz einfordern.
Tariflicher Mehrurlaub verfällt nicht automatisch
Auf Betreiben des EuGH hat das BAG in einem Grundsatzurteil (19.2.2019 – 9 AZR 541/15) geklärt, dass der gesetzliche Urlaub erst nach Warnhinweis durch den Arbeitgeber verfallen kann. Doch was heißt das für den tariflichen Mehrurlaub? Hier gilt dasselbe: Auch der tariflich vereinbarte Mehr-Urlaub verfällt nicht mehr automatisch, sondern nur, wenn Arbeitgeber*innen die Arbeitnehmer*innen auf den drohenden Urlaubsverfall hinweisen.