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Wo Azubis am besten verdienen

Im August sind viele junge Menschen in die Ausbildung gestartet. Für viele beginnt ein neuer Lebensabschnitt. Spätestens jetzt ist auch wieder klar geworden, dass Betriebe in bestimmten Branchen wie Friseure, Floristen und Bäcker keine Nachwuchskräfte gefunden haben. Dafür gibt es triftige Gründe. Zum einen spielt das Image der Berufe und die Arbeitsbedingungen eine entscheidende Rolle bei der Berufsorientierung und Berufswahl und zum anderen aber auch die Höhe der Vergütung während der Ausbildung, das eigene selbst verdiente Geld. Und nach der Ausbildung die Übernahme in den erlernten Beruf und die Beschäftigungsaussichten.

Wie viel das „eigene Geld“ aktuell ist, hat das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung in einer Studie zu Ausbildungsvergütungen aufgeschlüsselt. Die 20 ausgewählten Tarifbranchen zeigen deutlich: „Die ‚angemessene Vergütung‘, wie sie das Berufsbildungsgesetz regelt, variiert nach Region und Branche enorm,“ sagt der Leiter des WSI-Tarifarchivs Thorsten Schulten. Die branchenübergreifende Spannbreite der in den Tarifverträgen vereinbarten Ausbildungsvergütungen ist groß: Ein angehender Friseur in Brandenburg muss im ersten Ausbildungsjahr mit 325 Euro haushalten. Ein Azubi in der Metall- und Elektroindustrie aus Baden-Württemberg verdient mit 1037 Euro mehr als dreimal so viel.

Die Metall- und Elektroindustrie, Chemieindustrie und das Bauhauptgewerbe zahlen am meisten. „Das ist nicht nur Ausdruck der Leistungsfähigkeit der Branche, sondern auch der Mächtigkeit der Verhandlungspartner,“ betont Tarifexperte Schulten. „Gerade in der Metallindustrie, sind die in der IG Metall organisierten Azubis, immer aktiv an den Tarifbewegungen und den Warnstreiks beteiligt,“ so die Gewerkschaftssekretärin Nadine Schröer-Krug, die in den Geschäftsstellen Gevelsberg-Hattingen, Witten und Wuppertal für die Jugend zuständig ist. „Die jungen Kolleginnen und Kollegen erkämpfen sich mit Unterstützung der Älteren die Erhöhung ihrer Ausbildungsvergütungen.“

Am meisten bekommen der Böckler-Studie zufolge, die Azubis mit 1475 Euro monatlich im dritten Ausbildungsjahr derzeit im Bauhauptgewerbe, also beispielsweise im Gebäude- und Straßenbau. Im ersten Lehrjahr führen die Metall- und Elektroindustrie sowie die Chemieindustrie, der Öffentliche Dienst sowie das Bank- und Versicherungsgewerbe die Rangliste an. Hier erhalten die Azubis derzeit zwischen 970 und 1040 Euro monatlich. Schwierig ist die Lage für angehende Friseure, Floristen, Bäcker, Kfz-Mechaniker und Landwirte: Hier liegen die Brutto-Einkommen derzeit zwischen 325 und 650 Euro im ersten und zwischen 470 und 800 Euro im dritten Lehrjahr. Dies ist neben den Arbeitsbedingungen ein weiterer Grund, warum Betriebe in diesen Branchen händeringend nach Nachwuchs suchen müssen.

Die WSI-Studie hat die Ausbildungsvergütungen im 3. Ausbildungsjahr verglichen, dabei zeigen sich folgende regionale und branchenspezifische Differenzen:

  • In der chemischen Industrie variieren die Ausbildungsvergütungen um 94 Euro zwischen 1.090 Euro in Schleswig-Holstein und Bremen bis zu 1.184 Euro im Tarifbezirk Nordrhein.
  • In der Metall- und Elektroindustrie betragen die regionalen Unterschiede bis zu 97 Euro: Die tariflichen Ausbildungsvergütungen reichen von 1.102 Euro in Nordrhein-Westfalen bis zu 1.199 Euro in Baden-Württemberg.
  • In der Süßwarenindustrie verdienen Auszubildende in Rheinland-Pfalz 988 Euro regional unterschiedlich zu Berlin-West mit 1.119 Euro, was einer Differenz von 131 Euro entspricht.
  • In der Floristik unterscheiden sich die Ausbildungsvergütungen um insgesamt 207 Euro zwischen 707 Euro in West- und 500 Euro in Ostdeutschland.
  • Im Einzelhandel können die Ausbildungsvergütungen bis zu 215 Euro variieren: Sie bewegen sich zwischen 830 Euro in Mecklenburg-Vorpommern und 1.045 Euro in Hamburg.
  • In der Textilindustrie reichen die Ausbildungsvergütungen von 865 Euro im Tarifbereich Ostdeutschland bis zu 1.093 Euro in Hessen, was einer Differenz von 228 Euro entspricht.
  • Im Hotel- und Gaststättengewerbe liegen die regionalen Abstände bei insgesamt 245 Euro: In Sachsen-Anhalt gibt es 790 Euro, in Hessen dagegen 1.035 Euro.
  • Bei den gewerblichen Auszubildenden im Bauhauptgewerbe liegen die Unterschiede bei bis zu 285 Euro mit 1.475 Euro im Westen und 1.190 Euro im Osten.
  • Am größten sind die regionalen Unterschiede mit 294 Euro im Kfz-Handwerk, wo in Baden-Württemberg 984 Euro und in Brandenburg 690 Euro gezahlt werden.

Nach Zahlen der Bundesagentur für Arbeit bekamen Ende 2017 fast 65.000 Azubis in Deutschland weniger als 400 Euro im Monat, weitere 50.000 unter 500 Euro. Das entspricht rund sieben Prozent aller Auszubildenden. Um die Attraktivität der Ausbildung in jenen Branchen zu erhöhen, in denen es keine Tarifbindung der Betriebe gibt, bzw. keine Tarifverträge existieren, hat die Bundesregierung vor einiger Zeit einen Mindestlohn für Lehrlinge auf den Weg gebracht: Ab dem Jahr 2020 soll es für Auszubildende einen Mindestlohn in Höhe von 515 Euro im ersten Lehrjahr geben. Bis 2023 soll dieser auf 620 Euro steigen. Thorsten Schulten hält den geplanten Mindestsatz zwar für sinnvoll, fordert aber mehr: „Angemessen wären 80 Prozent der durchschnittlichen tariflichen Ausbildungsvergütung. Das sind etwa 635 Euro.“

Foto: Auszubildende streiten für die Erhöhung ihrer Ausbildungsvergütung – Thomas Range

 

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